ebenso wie caruso entstammte herr pizzaro…..

einer kinderreichen familie. genau aus diesem grunde jedoch war es herrn pizzaro versagt geblieben, gesang zu studieren. vielmehr konnte er letztlich froh sein, dass er die buchhandlung seiner ersten frau zu verdanken hatte. sie war die tochter des ortsansässigen bibliothekars gewesen und hatte von diesem die liebe zu büchern geerbt. sie hatte kein verhältnis zu literatur. nein, sie liebte die bücher.
mit geschlossenen augen verstand sie es, anhand der beschaffenheit des papiers sowie seines geruchs, verlag und erscheinungsjahr des buches zu erraten, welches man ihr vorhielt.
kennengelernt hatten sie sich bei den bouquinistes in paris. herr pizzaro durchstöberte einen büchertisch nach caruso-biographien als er diese kleine frau aus den augenwinkeln wahrnahm, die ihre lange nase tief in holländische erstausgaben vergrub. irritiert beobachtete er sie eine lange weile.
sie stand mit geschlossenen augen am stand und ließ ihre hände über die bücher streichen. wenn ihre hände zur ruhe kamen und über einem buch verharrten, nahm sie dieses auf und durchblätterte es langsam, ließ die seiten durch ihre finger gleiten und streichelte behutsam die letzte. dann blätterte sie in die mitte des buches, näherte sich ganz langsam mit ihrem gesicht und beschnupperte das papier wie ein kleiner hund. sie hob den kopf und nahm pariser luft in sich auf, um sich sogleich wieder in das buch zu versenken und einen tiefen tiefen atemzug durch die nase zu nehmen. dabei gurrte sie ganz leise.
herr pizzaro stand wie angewurzelt herum und verlor jegliches zeitgefühl, während er die junge frau, die später seine werden sollte, fasziniert beobachtet. er war ein junger mann damals und so konnte er nicht anders, als sich vorzustellen, wie sie statt am papier an seiner haut schnupperte. er sah ihre zarten finger über das papier der seiten streichen wie über die haare auf seiner brust. und er sehnte sich schmerzlich danach ihren tiefen atemzug mit dem leisen gurren - bei gefallen - in seiner achselhöhle zu verspüren.
so sprach er sie an. er hatte völlig vergessen, dass er in frankreich war und kaum ein wort französisch sprach und also bat er sie auf italienisch. „verzeihung signorina, ich habe hier ein buch, das mich sehr interessiert. es handelt von caruso, dem größten sänger dieser welt. ich weiß nicht, ob sie ihn kennen. aber ich wüsste gerne ihre meinung zu diesem buch.“ er reichte ihr das buch und sie lächelte ihn an. „selbstverständlich gerne mein herr“ , denn auch sie hatte in keinster weise bemerkt, dass sie - zwei italiener - mitten in paris ganz natürlich miteinander sprachen. und schon schloss sie die augen und begann ihr ritual.
ihr abschließendes gurren hatte einen verzückten, kaum merklichen unterton. „oh, das scheint mir der gautier-verlag zu sein, in seinen frühen jahren. damals hatten sie das beste papier, welches aus der vaucluse stammte. es wurde von einem wunderbaren katalonier geschöpft, der bis zu seinem viel zu frühen tode niemandem die beimischung des wassers verriet. ich würde es nehmen. egal zu welchem preis.“
herr pizzaro nahm es und sie auch. ihre ehe war so glücklich, dass sie nur kurz sein durfte und so kam es, dass er alda viel zu früh verlor. in den zehn jahren ihres beisammenseins hatte er gelernt, ihre hellsichtigkeit zu fürchten. besonders seitdem sie sonntags nach siena mit dem bus fahren wollten zum palio. sie hatten sich fein gemacht und saßen bereits eine halbe stunde zu früh an der bushaltestelle. sie hielten sich an den händen und schwiegen. als der bus kam, blieb alda einfach sitzen. er ermahnte sie, nun endlich aufzustehen und mit ihm den bus zu besteigen, als sie seine zerrende hand einfach festhielt und ihn mit leisem druck zum hinsetzen zwang. „es ist kein guter tag für den palio“ und so saßen sie eine weitere stunde an der haltestelle bis die hitze fast unerträglich wurde.
mit ihrem ärmel wischte sie ihm den schweiss von der stirn. dann nahm sie einen tiefen atemzug aus seinem haar und zog ihn fort, in ihr lieblingsrestaurant. in aldas nähe war herr pizzaro bis zu ihrem tode wie hypnotisiert. er leistete niemals widerstand und liess sich von ihr führen. nur ein einziges mal, am folgenden tage des palio schaute er sie fragend an. wie hatte sie wissen können, dass der bus schwer verunglücken würde? sie sah seinen blick und seufzte tief. „liebster, ich habe es einfach gerochen“.
Luiling - 3. Feb, 19:06

hmmmmmm........schööööööön.......ich möchte weiter lesen und weiter und weiter ....

svashtara - 3. Feb, 20:05

Hach!!!

Wie wundervoll... ich will genau davon immer mehr... das ist einfach eine schöne Idee... und ein ganz toller Text!!!

nachtschwester - 4. Feb, 11:00

Wieder ein ganz wunderbarer Text!
Könnte es sein, dass sie hier gerade die Mutter meines makedonischen Taxifahrers erfinden? Bin sehr gespannt, wie´s weitergeht! :-)

schmollfisch - 4. Feb, 12:39

Wunderschön ...

... bin sofort pizzarro-fan geworden.
Gruß vom schmollfisch

Juicy - 5. Feb, 11:56

Wie Schön.

Erinnert mich ein wenig an den Schatten des Windes.
Gruss aus dem fernen Katalunien.

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und überhaupt....

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