Heimat(en)

Ungewohnt war es, durch das Maindörfli ohne Hund zu spazieren, der in Schilda beim Mann geblieben war, aus unterschiedlichen logistischen Gründen. Aus Gewohnheit bin ich morgens die gewohnten Wege gelaufen, allerdings joggend. Und andere Wege bin ich gelaufen, mit la bella B. Ich habe meine Stadt ein bisschen mit Fremdenführeraugen betrachtet und festgestellt, dass ich mir an fast jeder Ecke auf die Zunge beiße. Denn mein Heimatgefühl hat so viel mit den Toten zu tun.
Wir spazieren zum Essen über den Fluss hinüber und ich erinnere mich an die Family dereinst beim Apfelwein, den unsere italienischen Verwandten abartig scheußlich fanden. Dort oben… möchte ich zeigen, da wohnte Oma P. …. Und dort oben, bei Oma L. da habe ich mir aus Wäscheständer und Bademänteln eine Höhle gebaut. Und an jener Ecke, wo die Cocktailbar in der alten Tankstelle wohnt, da lebten einst meine Tante und mein Onkel. Und da drüben am Main… da starb Paul in seinem Wohnwagen. Und überhaupt der Main. Mein Onkel ließ mich als Kind über das Brückengeländer spazieren und mein Großvater wollte sich nächtens in seine Fluten stürzen, jedoch hat ihn im letzten Moment zum Glück der Mut verlassen.
Als wir am Folgetag fünf Stunden in meinem alten Studentenviertel frühstücken holt mich die Vergangenheit erneut ein. Der Koch…. ach je…..wie schön, ihn wieder zu sehen. Selbst sein Zwillingsbruder, der offenbar frei hat, taucht im Joggingdress mit Hund auf. Die beiden Zwillingen hatten früher eine Kneipe zusammen im vornehmen Bad Homburg. Dort beschlossen der weltbeste Exmann und ich, zu heiraten. Und dann hatten die Zwillinge Jahre später ein Restaurant um die Ecke von der Theaterkneipe, in der la bella B., der wunderbare VM und ich so lange frühstücken. Die Zeit bekommt Zeitlupenqualität und plötzlich nimmt dort einige Tische weiter mein Jugendschwarm Mickey platz. Ich geh nicht hin, denn die meisten Leute haben ein schlechteres Personengedächtnis als ich und ich habe keine Lust, mich lange zu erklären. Also staune ich aus der Entfernung Mickey an und erinnere mich an alte Zeiten. Unnötig, es noch bedeutsam zu finden, dass ich am nächsten Tag am Bahnhof meiner ersten großen Liebe gegenüber stehe. Der erste, der mir das Herz brach als ich 14 war. Ich habe ihn vor einiger Zeit zu erg**gln versucht. Gar nicht so einfach. Er ist ein Finanzmogul geworden, mit zweifelhaftem privateequity-Ruf und den Taschen voll Geld. Mit seinem Assistenten steigt er in die erste Klasse, ich wende mich der zweiten zu und verzichte aus den oben genannten Gründen darauf, ihn anzusprechen.
Andere Heimaten sind Freundinnen. Lange parlieren wir darüber, abends beim Wein und ich merke, wie viele Freundinnen abhanden gekommen sind. Einige habe ich verabschiedet, andere haben sich einfach verschwinden lassen. Diese sind keine Heimaten mehr, sondern nur noch Erinnerungen.
Überhaupt erschreckt mich, wie sehr dieses Jahr thematisch gefüllt ist, mit Erinnerungen. Schon im Februar während des italienischen Heimatbesuchs, bin ich täglich mit dem Herrn Rosmarin umherflaniert und habe ihm die Ohren mit meinen Erinnerungen zugesungen. Da der Nonno, dort der Formaggio auf dem Mercato vor unserer alten Casa.
Während ich mit la bella B. beim letzten Frühstück im Café sitze, sinnieren wir über Liebe und Leidenschaft und fast erschrecke ich sie, mit meiner Leidenschaft für Vendetta. Aber dies ist ein Kapitel für sich.
testsiegerin - 8. Jun, 23:59

Ich werde eh immer lieb zu Ihnen sein, Frau Rosmarin. Damit die Vendetta mich nicht trifft.
Wunderschön war es. Jede Sekunde meines Aufenthalts hab ich genossen.

Und ich finde Frankfurt sehr, sehr sexy ;-)

virtualmono - 9. Jun, 07:00

... und ich habe es am Dienstag leider nicht geschafft, da wir doch noch ein längeres Meeting mit der Konzernmutter hatten (was nur mit einer Stunde im Kalender vermerkt war *grummel*...)
Gestern war ich dann dafür zum Ausgleich mal wieder bis halb zehn im Büro.
Bermejo - 9. Jun, 07:46

ohne erinnerungen wären wir leere hüllen;-)

Jossele - 9. Jun, 08:37

Scheint der Nabel der Welt zu sein das Maindörfli.

Über Vendetta sag ich lieber nichts, weil am Ende ...

Darklady - 9. Jun, 10:50

Danke, durch Ihre Augen gesehen emfinde ich das Maindörfli nun gar nicht mehr so grautristlangweiligchaotisch. Und das sage ich nicht, weil ich Angst vor Vendetta habe:-)
LG Darklady

steppenhund - 9. Jun, 16:33

So grau kann das Maindörfli gar nicht sein, solange es da noch beim Nachbarn den grüne Baum gibt.
-
Und Madame Schlepp habt ihr gar nicht versucht zu aktivieren?

kittykoma - 15. Jun, 00:23

Das rührt mich so...
Btw. war am Samtag 8 km vor Schilda. Da steht das Vaterhaus des neuen Freunds. Werde nicht zum letzten Mal dort gewesen sein.

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und überhaupt....

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