paarweise

Samstag, 21. April 2012

Khalid...

...Du warst ein frankfurter Nachtgesicht. So in der Zeit, als ich zwischen 14 und 18 war. In allen wirklich wilden Diskotheken warst Du damals in den siebzigern und achtzigern, entweder Türsteher oder DJ oder Dealer. In welcher Funktion auch immer, bist Du nicht eine einzige Nacht ohne Frau nach Hause gegangen. Damals als ich vierzehn war, da warst Du 24 und sehr cool.
Vor fünfzehn Jahren, da habe ich eine Weile gebraucht, bis ich dieses unbestimmte Gefühl, Dich von irgendwoher zu kennen, einordnen konnte. Du hattest nicht mehr diesen coolen secondHand-Laden, sondern einen wirklich coolen marokkanischen Möbelladen. Ich lebte mit Paule in vielen hundert Atlbauquadratmetern über Deinem Laden. Samstags haben wir bei dir auf golddruchwirkten Sofas gesessen, Pfefferminztee getrunken, Kacheln, Teppiche und Tadelaktproben bewundert, an Räuchersteinen geschnuppert, mit Deinem Sohn Omar gespielt und die Köstlichkeiten aus der Tajine Deiner Frau Naima genossen.
Ich sprach Dich auf Dein frankfurter Nachtgesicht an und Du hast milde gelächelt, Naima an Dich gezogen und uns folgendes erzählt: Als Du etwas über 30 warst, hat Deine Familie Dich heim nach Marokko beordert. Sie haben mit Dir ein bisschen geschimpft, ob Deines unsteten Lebenswandels. Dann haben sie Dir Deine Cousine Naima vorgestellt und Dir erklärt, dass Du sie heiraten würdest, und zwar ganz unabhängig von Deiner Meinung zu diesem Thema.
Naima fandest Du wunderschön und lustig. Du hast getan, was man von Dir erwartet, hast sie mit nach Frankfurt genommen, nochmal geheiratet und sie auf die Uni geschickt. Innerhalb kürzester Zeit hat Naima Deutsch gelernt, Dir einen Sohn geboren, und Informatik studiert.
Dein Sohn, der kleine Knirps, der immer im Laden spielte ist heute schon sechzehn und ein großer, schöner Kerl geworden. Er hält seine Mutter Naima im Arm, die nicht verstehen kann, wieso Du beim Joggen einfach tot umgefallen bist.
Ich versteh’s auch nicht.

....
ps.... der name ist wie immer falsch... das foto... ja das bist du.... verschwunden

Sonntag, 8. April 2012

5 Wochen....

liegen zwischen der Geburt meines kleinen Neffen Theo und dem rapiden Schwinden Deiner schier unendlichen Kräfte.
Heute endlich hatte ich den kleinen Theo im Arm.
Und in genau diesen sechs Stunden, in denen ich voller Liebe auf diese klitzekleine Wesen Mensch blickte, das träumte, trank, schlief, träumte und sich unter Koliken wand….. in diesen sechs Stunden hattest Du den letzten und schweren – sicher nicht den schwersten – Kampf in Deinem Leben.
Rasend bringen wir die hundertfünfzig Kilometer hinter uns, damit ich an Dein Sterbebett eilen kann. Dabei gibt es keine Eile mehr.
Winzig liegst Du in Deinem Bett. Bleich und entspannt und kein Atmen mehr, kein leises Zucken. Noch vor gut einer Stunde habe ich die rosige, weiche und warme Wange des kleinen Theo gestreichelt. Nun streichle ich Deine weiche, noch warme Wange. Du hast es geschafft. Ich habe die Hand auf dem Rücken Deines Liebsten und wir schauen Dich an, weinen und lachen. Kerzen werden entzündet und das Haus füllt sich mit Deinen Freunden. Musik spielt, wir scherzen und weinen, Blumen überall auf Deinen Bildern und auf dem Flügel.
Die doppelte Zeit einer Schwangerschaft hatten wir, um uns voneinander zu lösen und sind immer enger zusammen gewachsen. Deinem Hund raunze ich ins Ohr „wir müssen das jetzt begreifen lernen“, während ich mit Deinen Haaren spiele. Du bist nicht mehr bei uns – aber wir sind bei Dir.
Erleichtert, dass Du den letzten Kampf gewonnen hast – und traurig, weil wir ihn und Dich verloren haben.
36 Stunden….. darfst Du noch zu Hause bleiben. Ich komm morgen nochmal…. Ich kann schlecht loslassen. Und dann gehe ich mit Deinem Liebsten und den zwei windigen Damen auf die Hundewiese, auf der wir uns vor sieben Jahren kennen lernten. Damals als mein Windei dem Vater während der Läufigkeit entkommen war und Du anbotest, heimlich und am Wochenende in Deiner Praxis einen Ultraschall zu machen, vorausgesetzt ich würde es keinem verraten. Hab ich auch (fast) nie. Und war ja auch alles gut. Mein Windei war nicht schwanger und Deine Patienten haben auch nix bemerkt und alle überlebt. Und noch vor acht Wochen sind wir zusammen zum Second Hand Shop gefahren, weil Du meintest, Dein immer kleiner werdender Körper würde sich für neue Klamotten nicht mehr lohnen. Kichernd sind wir im Auto gefahren und haben gesungen „wir haben heute Tussitag“…. schön war das. Du wirst mir fehlen …. aber nur, weil ich so froh bin, Dich gekannt zu haben.


Dienstag, 3. April 2012

Liebe Ines,...

... nun stehst Du an der Schwelle.
Dein Gesicht ist entspannt. Die spirituelle Freundin an Deinem Krankenhausbett hält es für die Anwesenheit von Begleitern. Ich halte es für eine Folge der Unmengen von Morphium. Es wird schon so sein, dass wir beide recht haben und es ist auch völlig egal.
Dein Atem ist ruhig und entspannt und das obwohl selbst in Deiner Lunge mittlerweile der Krebs tobt. Der blöde Idiot frisst Dich auf, nicht ahnend, dass er mit stirbt, wenn er Dich besiegt haben wird.
Leise tröpfelt der Zucker, den Du immer vermieden hast, in Dich hinein. Noch vor drei Wochen habe ich Dein leise glucksendes Lachen hören dürfen, als Du zu Hause auf dem Ledersofa gelegen bist und ich die Einkäufe vom Markt gebracht habe. Schwach warst Du, aber nun bist Du stark, in den letzten Tagen oder Wochen Deines Abschieds.
Deine zarten Hände halten die Deines Liebsten. Sehr entspannt krallst Du Dich nicht fest am Leben, sondern bleibst noch ein bisschen…. für uns und für Dich.
Deine Augen sind geschlossen, zu anstrengend wäre das Öffnen. Und doch lauschst Du unseren Dialogen an Deinem Bett. Wir reden über die Zukunft …. Wohlwissend, dass Dich das eher beruhigt als in Verzweiflung stürzt, denn wir reden über die Zeit Deines Liebsten…. später. Er wird seinen Designerjob aufgeben, hat er eigentlich schon, denn er wird bei Dir bleiben, bis Du gehst. Auch Dein Sohn hat sein Leben woanders hinter sich gelassen, um mit Dir zu sein und er wird hier bleiben und auch ein neues Leben beginnen.
Wir legen kühle Lappen auf, wenn heiße Wallungen durch Dich gehen, wir träufeln Deine Lippen und streicheln Deine Arme. Die Schwestern haben ein Smiley auf das Morphiumpflaster gemalt. Wir fragen sie, ob Du evtl. Schmerzen hast, wenn Du unruhig wirst. Nein…. sagen sie. Man sieht es daran, dass Du keine Stirnfurche hast. Als sie Dich umlagern, damit Deine Knochen nicht durch die Haut stoßen, hast Du eine Stirnfurche.
Morgen kommst Du nach Hause. Du wirst in Deinem Mal- und Musikzimmer liegen, dem sonnendurchfluteten Ort und wir überlegen, wie wir die beiden Salukis ins Bett heben. An den Wänden hängen Deine Bilder, auf dem Klavier liegt das Saxo Deines Liebsten, während weiter Flüssigkeit und Morphin in Dich hinein- und wieder hinausträufeln.
Ehrlich gesagt, habe ich gestern das Krankenhaus nach zwei Stunden verlassen, weil mich das Gerede genervt hat. Ich hätte gerne nur wenigstens fünf Minuten mit Dir alleine gehabt. In den letzten Monaten sind wir ganz schön zusammen gewachsen. Verbunden waren wir eh immer. Ich mochte Deine Arroganz. In den letzten Monaten mochte ich Deine Liebe zum Leben und Deine Sanftmut.
Als ich ging, schienst Du zu schlafen. Ich streichelte Deinen Arm und sagte laut, dass ich Dich wieder besuche, wenn Du zu Hause bist und dass ich vorher anrufen werde, um zu fragen, ob es Euch passt.
„Ist das in Ordnung für Dich???“ und dann hast Du ganz deutlich genickt. Drum renn ich übermorgen wieder zu Dir ……. Bleib noch ein bisschen, oder halt solang Du kannst und magst.

Donnerstag, 22. März 2012

Jochen und Helga

…. fuhren immer gerne raus.
Helga fuhr mit Jochen gern raus, weil die gemeinsame Zeit eh knapp war. Eigentlich wäre sie lieber Wandern mit ihm gegangen. Am allerliebsten wäre sie mit Jochen gerne tagelang gewandert. Nur so gemeinsam durch die Wälder, die Hügel rauf und runter bis zum nächsten Gasthof. Dort hätte sie ihm das Bier am Schweinebraten gegönnt und sich einen roten Wein am Reh. Jochen aber wollte nicht wandern, weil ihm das zu lahm war. Er stand mehr auf’s Fahren.
Helga stand auf Gemeinsamkeit. Drum trug sie auf den von Jochen gewünschten Fahrten gern Partnerlook: Er schwarze Hose, sie schwarze Hose. Er lindgrünes shirt, sie lindgrünes shirt. Er Leinenkappe, sie Leinenkappe.
Was Helga wirklich hasste war das Tandem. Denn natürlich sass sie hinten. Sie strampelte, Jochen lenkte.
Eines Tages fiel Helga vom Tandem. Jochen nahm ihr die Leinenkappe ab und rief die Rettung. Jene kam zu spät, was nicht an der Rettung lag, sondern am Tandem, oder an Helga.
Jochen nahm das Tandem und schnitt es auseinander, baute es um zu zwei Fahrrädern. Kurz nach Helgas Beerdigung nahm Jochen die guten Ratschläge der Freunde ernst und fand Sarah.
Sarah liebte Wettrennen und gemeinsam stritten sie die Wettkämpfe am Berg aus, mit unterschiedlichen Siegen. Blöd ist, dass es seitdem in Jochens Haus spukt.

Montag, 30. Januar 2012

Waltraud heißt jetzt Polly….

....
Die Wandlung von Waltraud selbst hat ein ganzes Jahr gedauert. Eigentlich gings recht schnell.
Als Albert Waltraud verließ, war sie schon 46 und Albert tot. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, einen jungen Kasachen von einem Einbruchdiebstahl in einen schäbigen japanischen Kleinwagen abhalten zu wollen. Die Gegenwehr des jungen Kasachen kostete Albert das Leben und brachte Waltraud großes Unglück nebst Armut ein. Wochenlang stapfte sie weinend mit dem gemeinsamen kleinen Hund Struppi durch die Wiesen und brüllte den Himmel an.
Als eines Tages der Vermieter Waltraud anbrüllte, dass sie bald obdachlos sei, wenn sie nicht sofort die Miete überwiese, da begriff Waltraud, dass sie nun eine Lösung brauchte. Zunächst rannte sie zum Arbeitsamt, aus dem sie sogleich wieder floh, weil ihr der Papierkram viel zu umständlich erschien. „Wer arbeiten will… der findet auch welche“ sagte sie sich und ging klappern. Die Frittenbuden hätten sie genommen, dies hätte zwar für die Miete, nicht aber für Struppis Futter gereicht. Die Callcenter hätten Waltraud auch genommen, aber Waltraud hasste das Telefon.
4 Wochen lang verdingte sie sich als Hunde-Tagesmutti….Aber das lag ihr auch nicht, denn die ganzen wilden Tölen nervten sie letztlich und das Wetter war einfach mies. Sie sehnte sich nach einem Job, der sie nicht an ihrem heißgeliebten Tagesablauf störte. Es blieb also nur Nachtarbeit.
Eine Nachtschicht in einer nahe gelegenen Tankstelle überzeugte sie davon, dass es zu viele Kasachen in ihrer Stadt gäbe und …. sie erkannte, dass sie überhaupt keine Bereitschaft hatte, Albert vorschnell ins kalte Grab zu folgen. Dies war ihr erster Meilenstein.
Eine Nachtschicht in einer Psychiatrie überzeugte sie davon, dass auch hier zu viele Kasachen weilten, noch dazu mit eigenartigen Ideen in den Köpfen…. und Waltraud verabschiedete sich auf nimmer wieder sehen.
Es war also naheliegend, dass auch Zeitungen verteilen, Brötchen backen und Parkhäuser bewachen, für Waltraud nicht in Frage kämen. Und wie so oft, lag das Gute wirklich nah.
50 Meter von ihrer Wohnung entfernt, gab es ein kleines Hotel. Mittelklasse. Nicht die großen Bonzen stiegen dort ab, sondern alle. Die kleinen Handelsvertreter, die Urlauber, die mobilen Karrieristen, Geschäftsreisende und die, die es nachts in ihren Wohnungen nicht aushielten. Und eben jenes Hotel suchte einen Nachtportier.
Waltraud gab alles und heuerte dort an.
Tagsüber ging sie mit Struppi und hielt ihre Wohnung sauber, sprach mit sich selbst und verschickte Briefe an Freundinnen. Nachts machte sie sich hübsch, und zunehmend hübscher.
Sie plauderte mit den Nachtschwärmern, die in den frühen Morgenstunden ins Hotel kamen. Sie plauderte mit den Urlaubern, die mit wunden Füßen am frühen Abend zurück kamen. Sie nähte Knöpfe der Handelsreisenden an und verleugnete untreue Ehemänner am Telefon des Empfangs.
Es dauerte einige Wochen bis Waltraud die Blicke der Einsamen richtig deuten konnte. Zunächst hielt sie es für eine Sehschwäche, dann für eine neue Augenkrankheit und schließlich ging ihr auf, dass die Blicke ihrem Dekolltée galten. Und das war zugegeben…. eine Offenbarung. Diese Erkenntnis war Waltrauds zweiter Meilenstein.
Von da an, ging sie ihre Kleidung bedächtiger noch auswählen und lernte, ganz unauffällig ihren einladenden Ausschnitt über den Empfangstresen zu legen. Es machte ihr Spaß und ein leichtes Prickeln kam wieder in ihr Leben. Sie tat sich Duftöl in den Ausschnitt und errang Meisterschaft darin, einen kleinen Keks so zu essen, dass die Krümel… na Sie wissen schon. Die daraufhin stotternd nach ihrem Schlüssel verlangenden Dienstreisenden, waren Waltrauds dritter Meilenstein.
Der vierte Meilenstein kam in Form des Herrn Huber in Waltrauds Hotel. Herr Huber kam mit Frau Huber, die aber zwanzig Jahre jünger und wie sich heraus stellte, auch nicht Frau Huber war. Denn eben jene Frau Huber kam just in dem Moment ins Hotel gestürmt, als Herr Huber den Zimmerschlüssel ergriffen hatte und beim Blick in den Spiegel hinter dem Tresen, die heranstürmende Gattin sah. Mit der Geschwindigkeit eines Geparden war er hinter den Tresen gesprungen, hatte die falsche Frau Huber einfach stehen lassen und ihr noch ein paar Worte zugezischt. Die echte Frau Huber rannte schnaubend zum Empfang und fragte Waltraud nach ihrem Gatten.
Waltraud allerdings hatte den Gatten der echten Frau Huber zu ihren Füßen. Und während sie der echten Frau Huber erklärte, dass sie keinen Gast seines Namens… und auch nicht mit dem Vor- aber falschem Nachnamen habe, spürte sie das Herz des Herrn Huber an ihren Knöcheln schlagen. Die echte und die falsche Frau Huber verschwanden und Herrn Hubers Hände fuhren langsam an Waltrauds Beinen hinauf, damit er sich aufrichten konnte.
Er hatte Schnappatmung und Waltraud nahm ihn an ihre Brust, auf das er sich beruhige. Der gute Herr Huber war so außer Atem und nervlich am Ende, das sie ihn auf sein Zimmer brachte, denn das hätte er nie im Leben alleine gefunden.
Seit dieser Nacht weiß Waltraud, das ein weiblicher Nachtportier…..vielen Nöten begegnet. Sie würde das nie an die große Glocke hängen. Nur ganz nebenbei…. lässt sie fallen, dass Zimmerservice nicht nur das Heraufbringen kalter Brötchen und Bierflaschen ist. Und nur ganz nebenbei erzählt sie, wie gut sie Knöpfe annähen kann, wenn sie im Schneidersitz auf dem Bett sitzt. Nur ganz nebenbei erzählt sie, dass sie früher mal Masseuse war und Vorleserin, Trösterin, Eheberaterin und eine Frau zum Anfassen.
Seitdem nennt sich Waltraud „Polly“…. und wirklich alle schätzen ihren vielfältigen Zimmerservice.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Pfeiffend im Wald...

... habe ich – natürlich wohlwissend – den Frühling viel zu früh ausgerufen.
Der Weg in den Teuto war von Schneestürmen und liegen gebliebenen Lastern gepflügt. Die Sandalen sind eh im Maindörfli geblieben und die Amseln nehmen nun sogar das Vogelmüsli vor dem Fenster. Im Garten haben sich zwei Hasen seit vielen Monaten eingenistet und das Fräulein OhTanaBinLaden wird langsam älter und ruhiger.
Nur meine Freundin Ella ist noch am Seufzen. Die gut verfreundete Jugendliebe macht ihr in großen, aber durchaus regelmäßigen Abständen zu schaffen. Aufgelöst sitzt sie mir im Café gegenüber und redet wirres Zeug von nächtlichen Träumen und behauptet völlig geflashed vor seiner Tür gestanden zu haben – also geflashed sei sie erst gewesen, als er eben jene Tür öffnete - , um sich seinen Wagenheber auszuleihen. Seitdem ist sie durch den Wind. Im Tanten-Ton, der mich selbst nervt, erinnere ich sie an ihr wunderbares aktuelles Leben, verweise sie auf die netten Zitate zu Freundschaft und mache mich über sie lustig. Sie nickt artig und sie ist ja auch nicht blöd. Sie redet hin und träumt her und ergibt sich ihrem Schicksal, das sie wirklich gut gemeistert hat. Sie wolle nichts, sagt sie, sie könne sich nur nicht wehren. Das sei wie eine alte Krankheit, die in bestimmten Abständen wieder komme, wie in Schüben. Manchmal seien die Schübe lange, lange Zeit auseinander gelegen, fast dachte sie, geheilt zu sein.
Ich murmle….“Du bist geheilt“…. und sie nickt kopfschüttelnd.
Es sei eine Art Herzrheuma…. sagt sie. Dagegen hilft nichts, außer abwarten, bis es wieder nachlässt.

Freitag, 9. Dezember 2011

Plötzlich und unerwartet....

….
hat Marianne ihren Hannes verlassen. Sie fand, dass sie Freude und Gelassenheit benötigt. Und das kam (vermutlich) so:
Marianne war ja nun mit Hannes 50 Jahre verheiratet. Das waren gute und auch schlechte Zeiten. Das haben sie alles gemeistert. Er damals…. Junger, aufstrebender Architekt, sie damals…. junge, aufstrebende Bürokauffrau, die auf einen starken Mann und ihre Mutterschaft wartete. Sie bekamen einander und zwei wirklich gelungene Kinder.
Hannes war ein Stiesel. Ruppig, wortkarg und ein bisschen…. na er halt.
Marianne hat das immer wunderbar ausgeglichen. Je stieseliger er war, umso charmanter wurde sie. Als die beiden Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, wollte sie wieder arbeiten und hat eine Partnervermittlungsagentur gegründet. Damals, in den Zeiten, als es noch kein Internet gab, schaltete sie im Auftrag von…xy… Anzeigen, führte Gespräche und Gespräche, vermittelte Kennenlerntermine und war stolz auf ihre Erfolge. Die Kinder wuchsen und der aufstrebende Architekt hat sich verhoben, ging pleite. Sie mussten ihr Haus verkaufen und Marianne meisterte seine Selbstwertkrise. Sie zogen in eine kleine Eigentumswohnung in ein frankfurter Viertel unter ihrem Niveau und Marianne freute sich über ihre partnersuchenden Kunden. Die Kinder wurden so lustig wie Marianne, Hannes blieb stieselig, rappelte sich auf und übernahm einige große Hausverwaltungen. Sie hatten einen Afghanen, der gern auf der Trapprennbahn hinter dem Güllewagen her rannte, um sich duschen zu lassen. Die Kinder machten Abitur, gingen aus dem Haus und der Afghane starb. Ich lernte Marianne erst Jahre später kennen, als sie mit ihrem Whippet und ich mit dem Möchtegernwindchen am Mainufer entlang liefen. Diess taten wir einige Jahre, besprachen den Liebeskummer der Kinder, ihre ersten Oma-Erlebnisse und ihr baldiges Sterben. Marianne hatte mit 66 einen schlimmen Krebs bekommen, die Ärzte rieten, sich zu verabschieden. Die Kinder schenkten Ratgeberliteratur und wollten ernsthafte Gespräche mit ihr führen. Aber Marianne hat nur gelacht. „weißt Du“…. sagte sie damals zu mir…. „ich habe mich einfach entschieden, dass meine Zeit noch nicht gekommen ist“. Sie lachte fröhlich, selbst mit Perücke. Hannes war in der Zeit ihres Klinikaufenthaltes mit dem Whippet am Main unterwegs. Der Hund grüßte alle seine Kumpels, aber Hannes tat sich schwer und machte sich nicht die Mühe, die zu den Kumpels gehörigen Zweibeiner zu grüßen, latschte einfach weiter und starrte in die Luft. Aus der Eigentumswohnung im falschen Viertel wollten sie beide raus. Marianne überlebte den Krebs und bekam neue Haare, die wilder und schöner waren, als ihre früheren. Stolz lief sie am Flussufer umher, lachend und auf das anvisierte Haus freuend. Der Whippet starb und nun hat Marianne eine neue Entscheidung getroffen. Sie hat Hannes verlassen, wurde innerhalb von neun Monaten geschieden und ist in ein klitzekleines Kaff gezogen, in dem ihr Sohn wohnt und als Lehrer arbeitet. Einmal im Jahr fliegt sie zu ihrer Tochter nach Alaska. Die lebt nun zum zweiten Mal in Alaska. Einmal vor ihrer Hochzeit mit Ariel. Den wiederum hat sie aufgrund seiner Trinkerei verlassen. Ariel starb an kaputter Leber und Mariannes Tochter ging zurück, um seine Hand zu halten bis er starb. Nun ist sie immer noch da und wurde Tierheilpraktikerin. Marianne führt jetzt auf dem Land den Hund ihres Sohnes spazieren. Wie es Hannes, dem Stiesel geht, weiß ich nicht. Aber der Main ist etwas einsamer geworden.

Dienstag, 29. November 2011

Peer und Ella….

.... sind in dieser Kategorie „paarweise“ eigentlich ganz falsch.
Denn genau genommen, waren sie nie ein Paar. Sie waren nur ineinander verliebt – oder zumindest Ella in Peer, und sie waren nur Freunde – das definitiv. Peer mit seinen blonden Locken und dem leichten, sanften Lächeln fiel ihr im Gemeinschaftskundeunterricht auf. Er war nett. Richtig nett. Genau genommen war er der einzig nette männliche Mensch im Kurs – abgesehen vom GK-Lehrer.
Wenig später entdeckte Peer, dass er mit Ella einen gemeinsamen Heimweg hat. Genau genommen entdeckte er das erst, als er wegen seines Beinbruchs langsam schlurfen musste. Sie parlierten auf dem Heimweg. Und eine Stunde später, nachdem sie beide bei den jeweiligen Müttern zu Mittag gegessen hatten, in Turbogeschwindigkeit die Hausaufgaben erledigten – telefonierten sie miteinander. Dies begab sich zu der Zeit, in der ein Telefongespräch – unabhängig von seiner Dauer – schlappe 20 Pfennige kostete. Und so telefonierten sie jahrelang täglich 2-4 Stunden. Manchmal schwiegen sie auch am Telefon und Ella verliebte sich heftigst in Peer. Der wiederum fand Ella nett und lustig. Und er verbrachte seine Zeit gerne mit ihr. Später dann auch abends. In seinem silberfarbenen Schirocco fuhr er vor ihrem Elternhaus vor, sackte sie ein…. und ging mit ihr ins Univiertel in ein Café. Sie kamen sich mächtig erwachsen vor. Und spielten miteinander – nur Backgammon. Ihrem damaligen Freund gab Ella einen Abschied. Sie hoffte auf Peer. Jener aber war von einem anderen Geschwindigkeitsstern. Sie gingen abends an den Flughafen. Dort standen sie und reihten sich in der Ankunftshalle ein, wo wartende Angehörige ungeduldig am Ausgang standen, um braungebrannte Vermisste zu begrüßen. Vergeblich wartete Ella darauf, dass Peer ihre Hand nähme. Stattdessen erzählte Peer von seiner langweiligen Freundin, die im Schwesternwohnheim wohnte. Hierfür jedoch hatte er einen geheimen Schlüssel. Und wenn er abends Ella wieder zu Hause ablieferte, drückte er auf die Tube, um heimlich ins Schwesternwohnheim zu fahren.
Ella verliebte sich neu. Wartete auf Peer und verliebte sich wieder neu. Längst waren sie Studenten, Ella heiratete, Peer beklagte sich über seine langweilige Freundin, die er dann Jahre später doch noch heiratete. Einen einzigen geheimen Abend hatten sie sich in all den Jahren herausgenommen, nur um dann „Schwamm drüber“ zu sagen.
Ella genoss so manche Liebe während Peer mit der Krankenschwester lebte. Dies hatte einen unermesslichen Vorteil, denn er blieb über dreißig Jahre Ellas wirklich guter Freund.
Heute wird Peer 50….. er sieht immer noch verdammt so aus wie damals und hat immer noch dieses Lächeln und die blonden Locken, die einfach nicht grau werden wollen.

vergiss

Samstag, 2. Juli 2011

Als Melissa und Carl....

.... sich gefunden hatten, ging plötzlich alles ganz einfach, fast wie von selbst. Sie hatte ihn im Internet kennen gelernt. Wie das halt so ist. Man schaut auf das Foto eines fremden Mannes und ergründet die Gesichtszüge. Noch heute, wenn sie am Abendbrottisch sitzen, schmunzelt Melissa in sich hinein und erinnert sich daran, wie sie das erste Foto von ihm sah.
Eigentlich ging dann alles ganz schnell. Dies empfand Melissa als großes Glück, denn mit ihren früheren Bekanntschaften und Männern, hatte sich alles irgendwie kompliziert oder langatmig oder auch beides gestaltet.
Stefan hatte immer nur über sich selbst gesprochen und sogar gelegentlich ihren Namen vergessen. Albert hatte Erektionsprobleme, und ihre Liebe hatte dafür einfach nicht ausgereicht. Theo schrieb Gedichte – was sie herrlich fand – weinte aber nach dem Orgasmus – was sie wiederum befremdete. Daraufhin hatte sie es mit einem echten Kerl – Dieter – versucht. Dieter jedoch beschränkte sich nach fünf Monaten darauf, Melissa kochen und Bier holen zu lassen. Erotisch hatte er die Feinfühligkeit eines Walrosses mit der Ausdauer eines Faultiers.
Melissa hatte genug von den Männern und doch…. sehnte sie sich. Und so kam es, dass sie Carl fand.
Sie teilen sich ihre Wohnung und wenn sie von der Arbeit kommt, erwartet Carl sie bereits. Er ist sehr aufmerksam.
Oft sitzt er auf der Couch wenn sie kommt. Dann schaut er sie erwartungsvoll mit seinen grünen Augen an. In diesen Momenten schafft sie es nur manchmal, sich erst mal an den Küchentisch zu setzen, einen Kaffee aufzubrühen und eine Unterhaltung mit ihm anzufangen. Meistens, wenn er da so auf der Couch sitzt, kann sie nicht anders, als sich ganz schnell auszuziehen. Nicht immer ganz.
Sie stürzt sich förmlich auf ihn, wühlt sich in ihn hinein und wühlt ihn in sich hinein. Später dann…. lacht sie…. über sich selbst, über sie beide und weil alles so einfach ist zwischen ihnen.
Manchmal wartet Carl auf sie im Bett. Dann weiß sie, dass er heute sehr spezielle Bedürfnisse hat. Es muss schnell gehen und er will sie schnell unter sich spüren. Er erlaubt ihr, seine Hand zu führen, aber nur, um schnell ihre Hitze zu spüren und in allen möglichen Lagen in sie zu dringen.
„Carl riecht gut“…. erzählt Melissa ihren Freundinnen…. und „er ist kein geselliger Typ“…. sagt sie, wenn sie ihn auf ein Abendessen mitbringen soll zu Geschäftspartnern.
Auch im Urlaub ist sie am liebsten mit ihm alleine. Sie mieten sich ein Häuschen in Schweden, einsam gelegen an einem See mit Bootssteg. Abends sitzen sie an einem kleinen Feuer, berühren sich und Melissa wundert sich über sich selbst. Er lockt das Tier in ihr hervor.
Am liebsten liebt sie ihn unter dem Sternenhimmel und vollkommen nackt. Mal schmiegt sie sich zärtlich an ihn und schnuppert an Haut und Haar, während sie seine mächtige Erregung mit den Händen umfasst. Carl weiß, was sie braucht. Sanft schaut er sie an und auch versteht er es, sie aus sich selbst heraus zu locken und es wild und lang mit ihr zu treiben. Morgens sitzen sie am Frühstückstisch. Carl ist ein guter Zuhörer. Das törnt Melissa besonders an und wenn sie sich mit ihrer Kaffeetasse auf seinen bereiten Schoss setzt, schreit sie laut vor Freude und wirft ihr Croissant durch die Luft.
Carl ist immer bereit für sie, er hört ihr zu, er ist immer da.... und er zeigt ihr, wie sehr er sie begehrt.

Manchmal findet sie ihn etwas schweigsam. Dann trifft sie sich mit ihrer Freundin Carolin und fragt sich, wie wichtig das Reden in einer Beziehung sei. Carolin ist mit einem Lehrer verheiratet und träumt von wilden Affären. Nach diesen Abenden weiß Melissa, wie gut Carl ihr tut und wie wunderbar er ist.

Donnerstag, 14. April 2011

Selma gibt wie jeden Tag....

.... dem Bettler vor dem Supermarkt einen Euro und die Tüte mit den Käseecken, die sie wöchentlich von der Käsethekenfrau umsonst in einen Beutel gepackt bekommt. Dafür lässt sich Selma von der Thekenfrau wie eine senile alte Frau ansprechen.
„Na …. Frau Huth, Sie tapferes Frauchen… immer noch so schön selbst am Einkaufen? Wie geht’s uns denn heute?“
Nun gut, denkt sich Selma, ich bin eine alte Frau, aber doch nicht senil! Dennoch setzt sie ein niedliches Omalächlen auf, stöhnt und jammert etwas über das feuchte Wetter und den parkinsonkranken Mann. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass wenn sie ein bisschen jammert, der kostenfreie Käsebeutel etwas größer ausfällt und Selma findet, dass ihr der Bettler vorm Supermarkt das wert ist.
Mühsam schiebt sie sich mit dem Rollator den Gehweg entlang, den sie in- und auswändig kennt. Wenn die Straßenreinigung einmal die Woche kommt, freut sie sich, denn dann beginnt der Musterbildungsprozess auf den Gehwegplatten neu. Im Laufe der Woche entsteht ein neues Muster aus Zigarettenstummeln, Papierchen, Moos, Ästchen und Erdklümpchen. Bei dem Tempo, das Selma mit dem Rollator schafft, hat sie genug Zeit, sich mit den Details der Platten zu beschäftigen. Sie nimmt es philosophisch: Es geht immer weiter, alles entsteht immer wieder neu.
Leider gilt das für ihren Leib nicht. Dass sie überhaupt noch laufen kann, verdankt sie ihrem überdurchschnittlich stark ausgeprägten Trotz.
Aber so wie ihr Haar schütter wurde, ihre Muskeln weniger, so wird auch ihr Trotz langsam etwas schwächer. Sie mag nicht mehr richtig. Alles ist Schmerz und Langsamkeit, Atemnot und Zittern und manchmal, da wünscht sie sich eine heftige Demenz, weil ihr das alles so unendlich auf die Nerven geht.
Meter um Meter schiebt sie sich ihrem Hauseingang entgegen. Noch zwanzig Meter….. früher…. da hätte sie die in fünf Sekunden gehüpft. Nun muss sie nach jedem zweiten Schritt stehen bleiben. Sie schnauft und schaut in den Himmel, geht weiter, schnauft, studiert das neue Graffiti an dem Stromverteilerkasten, geht weiter und flucht. Die Füße sind nur mäßig gehorsam, die Knie sind steif und die Hüfte brennt wie Feuer. Selma sehnt sich nach Ruhe und einem sanften, geschmeidigen Leib.
Sie hat es sich gut überlegt, bevor sie den jungen Mann von Gegenüber um einen großen Gefallen bat und sie hat ihn lange überreden, überzeugen und gut bestechen müssen. Aber dann endlich hat er mit den Schultern gezuckt und ihr versprochen, ihr das Zeug zu besorgen.
In ihrer Wohnung angekommen, küsst Selma ihren Hans und versucht seinen Blick zu fangen.
„Heute ist es soweit“ flüstert sie ihm ins Ohr und streichelt seine zitternde Hand. Hans Augen finden den Weg zu ihrem Blick und er lächelt. „Guut“.
Der junge Mann von Gegenüber kommt wenig später und hat ein kleines Papiertütchen in der linken Hand. „Frau Huth! Sie wissen, dass das illegal ist!“
„Ja, ja…. schon in Ordnung Dennis…. Wir wissen was wir tun und wir sind dir auch sehr dankbar dafür, dass Du uns hilfst… also los…. Lass uns anfangen!“
Dennis holt die Utensilien aus dem Papiertütchen und knistert, bröselt, rollt und reicht Selma und Hans jeweils eine Dosis des Begehrten.
Selma zündet erst Hans, dann sich den Joint an. Mit einem tiefen wohligen Seufzer lehnt sie sich in die Sofakissen und schmiegt sich an Hans. „Ganz wie früher mein Liebster….. „

und überhaupt....

Hunde, sind unsere Verbindung zum Paradies. Mit einem Hund an einem herrlichen Nachmittag an einem Hang zu sitzen kommt dem Garten Eden gleich, wo Nichtstun nicht Langweile war - sondern Frieden. (Milan Kundera)

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

liebe wunderliche feinstrick, gut...
liebe wunderliche feinstrick, gut behütet mögen sie...
rosmarin - 3. Jan, 13:38
Liebe Frau Rosmarin,...
Liebe Frau Rosmarin, das war ja nun schon fast ein...
feinstrick - 1. Jan, 23:45
frau ro, das war ja schon...
frau ro, das war ja schon fast ein rückblick;-) alles...
la-mamma - 1. Jan, 18:30
so.... nu sind wir ja...
so.... nu sind wir ja schon im neuen jahr und haben...
rosmarin - 1. Jan, 17:55
tja...wie schon erwähnt:...
tja...wie schon erwähnt: das leben ist kein kindergeburtstag...
datja (Gast) - 1. Jan, 17:50

Zufallsbild

schwein7

mehl

rosmarin punkt ffm at googlemail punkt com

gezwitscher

    Suche

     

    Status

    Online seit 6708 Tagen
    Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

    Credits