Dienstag, 15. März 2011

Familientradition....

ist eine sehr eigenartige Sache, wenn man ewig-jugendlich-aufgeklärt-gebildet-aber-dann-doch-blöd ist.
Bis ich also endlich auf die von mir selbst ausgelegte Spur kam, dauerte es einige Monate.
Monate in denen ich mich erinnerte daran, wer und wie ich einmal war. Klug und frech. Und so sah ich auch aus. Meinen ersten Kunden besuchte ich im schwarzen Pettitcoat, durch den ein hellblaues Satinband lief. Ich trug einen schwarzen Strickpulli drüber und schwarze Schnürstiefeletten, die ich eigenartigerweise auch heute noch besitze.
Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin kein Freund von Äußerlichkeiten. Der Inhalt folgt nicht der Form. Aber die Form sollte dem Inhalt folgen. Und viele Jahre, waren Inhalt und Form gut aufeinander abgestimmt.
Mit zunehmendem Erfolg, folgte der Inhalt dem Gefragten und die Form dem Inhalt? Oh weh.... ich hoffe nicht. Denn ich habe nur zwei Sorten von Formen: eine private Hundeform.... also Jeans, Stiefel, wetterfeste Klamotten.... und eine Arbeitsform: lustige schwarze Businesskostümchen mit netten Pumps. Mein Herzenshirn schubste sich mit hineinen.... durch Schals, Ohrringe und freches Schuhwerk. Aber alles in allem: glatt..... sehr glatt.
Aha.... so ist das also, wenn man sich anpasst....
Und viele Monate schwurbeln Erinnerungen in mir herum. Der von der weltbesten Mutter beschworene Stoff, aus dem ihr Vater für die drei Töchter Wintermäntel nähen liess.
Die stets adrette Großmutter in einzigartigen Kleidern, die ich sonst nirgendwo sah und die so eigenartig brav und frech gleichzeitig waren. Man nannte das damals "chic".
Die stets stolze Zwillingstante mit ihren raffinierten Schottenröcken, die schon wirklich fast nicht jugendfrei waren, mit ihren bunten Sommerkleidern, die perfekt passten, das Falsche verhüllten und das Andere hervorbrachten.
Ich dachte immer, das sei halt "italienisch".... das sie tragen konnten, was sie wollten und immer perfekt nach sich selbst aussahen. Ich hatte aber völlig übersehen, dass sie alle Schneiderinnen hatten.
Damals gab es nicht diese Mengen an Konfektion. Und nicht diese Mengen an Auswahl. Also machten sie sich ihren eigenen Kopf und befrugen eine Frau vom Fach.
Ich latsche immer in meinen beiden Uniformen daher und fühle mich zunehmend unwohl. Ich weiß nicht mehr, ob ich die Uniform bestimme, oder sie mich.
Eine Freundin fängt das Bloggen an, mit ganz eigenen Themen. Ich liebe ihre Sachen und bin stolze Beschenkte mit dreien ihrer Kunstwerke. Wir ratschen hin und her und ich erzähle ihr von meinem damaligen Petticoat. Von den Berlinreisen im Alter von 16, als wir echte Kleider aus den vierziger Jahren erstanden. Leider sind die Stoffe mittlerweile brüchig und beim Surfen im Netz entdecke ich, dass diese kleinen Kunstwerke heute alle nachgenäht werden und mittlerweile einen eigenen Namen haben. Das ich das jetzt erst merke liegt daran, dass ich eben ein Fan von "die Form folgt dem Inhalt" bin.
Weiterhin stehe ich vor Kunden und bin gut und brav angezogen, aber das bin nicht ich.
Und in Schilda fahre ich zufällig an einem Laden vorbei mit Corsagenkleidern, die mich wiederum an meinen alten Petticoat erinnern. Ich erzähle es der Freundin und einer anderen Freundin und .... oh weh.... man könnte glauben, es ginge um Klamotten. Aber nein, darum geht es nur peripher. Es geht um Inhalt: wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich. Es geht nicht wirklich um Klamotten.
Und monatelang nehme ich mir vor, in diesen Laden zu fahren... einfach weil ich es satt habe, in immer gleichen businessvariationen vor dem Kunden zu stehen. Weil ich mich mit mir selbst langweile.
Und während ich mich mit mir selbst anöde, finde ich dann endlich den Weg ..... der Knoten löst sich.
Meine Vorfahrinnen waren klüger. Sie achteten darauf, dass sie aussahen, wer sie waren.
Ich bin blöd. Ich nahm die Uniform, in der sich ein Anarchist verstecken konnte.
Das hört jetzt auf. Schneiderinnen sind überhaupt nicht viel teurer als die Massenware.
Klar, die Jeans für die Hundeuniform kann ich noch in Taiwan fertigen lassen. Aber den Rest kann ich innereuropäisch im Handwerk anlegen. Mein kleiner nutzloser Kampf gegen Globalisierung und mein kleiner Kampf gegen meine eigene Anpassung, können Arm in Arm mit meinen Ideen und einer guten Schneiderin gehen. Geiz ist eh nicht geil.... und handmade in good old europe ist immer noch besser als zum gleichen Preis made in China zu kaufen. Machen wir uns nichts vor.... Armani lässt auch andernorts schneidern. Ich nicht mehr. Und ich freu mich diebisch auf schwarze Business-Kostüme mit Innenfutter aus hellblau mit schwarzen Totenköpfen, auf schwarze Röcke mit aufspringenden Falten in blutrot nebst rosa Pilzen und Windhunden.... und vor allem freu ich mich auf Reh Nate.... die demnächst meine StudentInnen in Erstaunen versetzen wird. Ich folge der Tradition meiner Großmutter, meiner Tante und meiner Mutter.... und meinem eigenen Bedürfnis.
Ich bin zurück :-)

und überhaupt....

Hunde, sind unsere Verbindung zum Paradies. Mit einem Hund an einem herrlichen Nachmittag an einem Hang zu sitzen kommt dem Garten Eden gleich, wo Nichtstun nicht Langweile war - sondern Frieden. (Milan Kundera)

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