Heute ist es soweit....

…. und Maja geht zum ersten Mal als erwachsene Frau mit der Großmutter über den Weihnachtsmarkt.
Zuvor hat sie sich lange mit den Freundinnen beraten. Was sollte sie anziehen, geschminkt oder ungeschminkt, mit strengem oder nachsichtigem Blick, mit Vorsicht oder Vorfreude?
Egal. Sie kann sowieso nicht aus ihrer Haut heraus und also zog sie sich warm an, beißt sich auf die Lippen, um das Herzklopfen in den Griff zu kriegen und zieht ungeduldig die Großmutter hinter sich her.
Aus der Ferne winken ihr kichernd die Freundinnen zu, mit Siegeszeichen in den Fingern und Sehnsucht im Blick.
Maja und ihre Großmutter gehen zum Stand des Filzers, der mit einem Gesellen am Stand steht. Der junge Mann legt sich sofort ins Zeug und präsentiert sich und seine Waren. Sanfte Augen, geschickte Hände, ein roter Hut mit Ohrenschützern für das Fräulein, eine Umhängetasche mit Perlen und Rehen darauf, eine Winterdecke in hellblauem Filz mit eingeflochtenem Kaninchenfell und er…mit so braunen Locken….. ach, der schaut ihr tief in ihre grünen Augen.
Die Großmutter lächelt und meint, dass so ein Schafhirte im Sommer wie im Winter fleißig sei und immer etwas mit seinen Händen anzufangen wisse, zudem die Natur und die Tiere liebe und zückt nebenbei ihr Portemonnaie. Maja funkelt sie böse an … „das stinkt wie im Schafstall hier“….und zerrt die Großmutter zum Zuckerwattebäcker. Sie betrachtet ihn genau und entdeckt kleine Äuglein, die wie winzig kleine Punkte aus einem geröteten pausbäckigen Gesicht zu ihr herab blinzeln. Sie seufzt tief… „ohh… so süß“…. und nimmt gerne aus der etwas fleischigen Hand ein Stäbchen mit zitronengelber, duftender Zuckerwatte und sie denkt wehmütig an ihren Vater. Der war auch Zuckerwattebäcker gewesen, bevor er starb. Die Großmutter schimpft. „Nichtsnutze…. Immer nur Süßzeug….. das hält ja keine aus, das ist grausam. Lass Dir nicht die Sinne verwirren mit süßem Zeug, es macht nur fett und träge und dann ist nur die Frage, wie du leben kannst, wenn Du vor lauter Fett kaum noch laufen kannst“ und zerrt Maja weiter zum Glasbläser.
Der Glasbläser ist ein herrlicher junger Mann, der mit nacktem Oberkörper, glänzend vor Schweiß, vor einem offenen Feuer steht und seinen Stab mit den Händen rollt. Seine Bewegungen werden schneller, immer schneller und als sich von seinem Stab ein wallnussgroßer weißer Tropfen zu lösen scheint, schwenkt er ihn nach oben und haucht ihm Leben ein. Maja schaut fasziniert zwischen seinem pumpenden Oberkörper und dem Ende der Stange hin und her. Im Nu verwandelt sich der weiße Tropfen in ein durchscheinendes gläsernes Herz, an dem der Bläser zupft und dreht, dann bläst und pumpt und wieder zupft und dreht. Maja vergisst zu atmen und schwindelnd hält sie sich an der Großmutter fest, während die Dame neben der Großmutter bereits ihr Portemonnaie zückt, um zu Kaufen.
Die Großmutter zerrt Maja zum Bräter. Die vier Hühnen am Grill haben rote Wangen und scherzen miteinander, während sie Rollbraten, Rostbraten, Bratwürste und Pommes jonglieren. Maja verzieht das Gesicht…“Ooooma! Ich esse kein Fleisch. Schon seit Jahren nicht. Ich hasse Tierquälerei und Massentierhaltung… und im übrigen wird mir gleich übel…“
Die Großmutter schaut dem Rostbraten nebst Bräter hinterher und lässt sich von Maja zum Stand mit den Maronen ziehen, wo sie dankend ablehnt, denn die bleiben ihr regelmäßig im Halse stecken. Maja schmeckts. Sie schaut sich um und steuert sogleich den Glühweinstand des Winzers und seiner Mitarbeiter an. „Hmmm lecker“ raunt sie und tröpfelt sich den warmen, süßen Wein über die Lippen auf die Zunge. Die Großmutter schaut betreten und nimmt einen herzhaften Schluck. Rund um den Glühweinstand stehen fast nur Frauen. Die ein oder andere ist schon deutlich aus der Fassung geraten. Es wird zu hoch und zu laut gelacht, die jungen Trinkerinnen glühen und der Winzer schenkt eifrig nach. „Komm Maja“… flüstert die Großmutter. „Die ganzen Weiber aus der Nachbarschaft, besonders die mit den abgelegten Männern, saufen sich jetzt den Winzer schön“
Und so stehen sie ratlos im Trubel des Weihnachtsmarktes und Maja blickt sich traurig um. Ihr ist kalt und sie fragt sich frustriert, wieso dieser Weihnachtsmarkt in ihrer Familie eine solch große Tradition hat. Nun gut, ihr Großvater, der Krippen-Josef, war ein guter Mann gewesen, der immer Zeit für seine Familie hatte und nur in der Weihnachtszeit arbeitete. Ihr Vater, sie verbot sich eine Träne, war Zuckerwattebäcker im Winter gewesen und hatte den Sommer über die Familie an die entlegensten Orte der Welt geführt, um nach einzigartigen Zuckersorten zu suchen. Aber er erlag seinem Zuckerleiden sehr früh und der nächste Griff ihrer Mutter, war buchstäblich ein Griff ins Klo gewesen. Vermutlich hatte sie zu lange beim Winzer Glühwein getrunken, bevor sie den Hüter des Toilettenhäuschens erwarb.
So denkt sie, mit der Großmutter schlendernd, an ihre Freundin Lilli, deren Familie eine herzige Tradition mit der Frühjahrsmesse pflegt.
„Weißt Du…“ sagt die Großmutter… „es geht die Legende, dass man sich früher einen backen musste.“
Die alte Dame kichert, zückt ihren Geldbeutel und hebt die Hand, winkt dem Filzer zu und brüllt mit Blick auf den Gesellen „den nehmen wir!“
la-mamma - 21. Dez, 11:04

was für eine schöne geschichte!

Jossele - 21. Dez, 16:08

Ähm ja, ich bin da richtig bei Frau Rosmarin, und nicht bei der Frau Testsiegerin.
He, hallo aber auch, du wirfst da ein sehr gutes Stück Literatur in den Äther, bzw. sind das ja heute Kabel aus Kupfer oder Glasfaser.
Chapeau liebste Rosmarin.

Räusper, hüstel, also der Glasbläser ...

testsiegerin - 22. Dez, 12:19

eh ist das die geschichte der frau rosmarin. die geschichte der frau testsiegerin finden sie nämlich auf der seite der frau testsiegerin ;-)
Jossele - 22. Dez, 18:18

Na eh, aber der Glasbläser mit schweißnacktem Oberkörper und die Stäbchen und Tröpfchen ...
stoppl - 22. Dez, 01:56

Der Glasbläser?

"Honi soit qui mal y pense" ;-)

virtualmono - 22. Dez, 01:59

*gnihihi*...
steppenhund - 22. Dez, 01:58

[OT]

Sie haben es gut. Sie haben schon die Ruhe zum Fabulieren. Ich suche heute "Arbeit und Wirtschaft", das ich mir schon für den Versand zurecht gelegt hatte und finde es jetzt nicht. Das wird also noch bis zum 27. dauern, bis ich endlich zur Post bringen kann.
Weil ich heute auch unbedingt zu einer Weihnachtsfeier gehen musste, zu der ich schon abgesagt hatte.
Zugegeben, es war dann schon sehr nett.
Aber ehrlich: Mo Weihnachtsfeier, Die Weihnachtsfeier, Mi Weihnachtsfeier ... ja wann kommt denn dann das Christkind?
Und jetzt den Wecker auf 6 Uhr gestellt. Hoffentlich wache ich auch auf...

katiza - 22. Dez, 08:15

Keine Sorge, Herr Steppenhund, das mit A&W nehme ich Ihnen ab!!!!Aber auch erst nach Weihnachten!
katiza - 22. Dez, 08:22

Wunderbare Weihnachtsgeschichte, der Filzer hat mir auch gleich besonders gefallen...und langsam wird es hier auch stiller, Frau Rosmarin.

testsiegerin - 22. Dez, 12:16

das ist eine entzückende und berührende weihnachtsgeschichte.
ich tät auch eher den filzer nehmen und nicht den glühweinwinzer.

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