paarweise

Freitag, 21. November 2014

La bella Montez.....

soll die Tänzerin aus Sevilla geheißen haben, die Hein, den Leuchtturmwärter, einst so glücklich gemacht hat.
Genau genommen ist es nur eine Erzählung der Einwohner aus Pudelgarten, die sich aber auch nicht erklären können, woher die dunkelhaarige Schönheit kam und wohin sie eigentlich entschwand.
Fakt ist, oder …. scheint zu sein…., dass Hein eines Tages die Nase voll hatte von seinem Leuchtturm. Tagein tagaus das Stellwerk für die Lampen bedienen, den Schiffsverkehr und das Wetter abhören,
hormontriefende Paare trauen…. Es war ihm einfach zuwider geworden.
Weil Hein noch niemals in seinem Leben von der Insel runter gekommen war, beschloss er dies zu ändern und plünderte sein übermäßig gefülltes Sparbuch. Was hatte er schon gebraucht von seinem kleinen Verdienst, in den letzten zwanzig Jahren? Eben: Nichts. Drum hob er seinen Neffen in den Leuchttrum, wies ihn ein, zeigte ihm den Rumvorrat hinter der Eberesche und kaufte sich ein erster Klasse Ticket nach Paris.
Dumm war nur, dass Hein leider kein französisch sprach und so saß er etwas trüb und mit einem klitzekleinen bisschen Heimweh in einer kleinen Bar am Tivoli. Mangels Sprachkenntnissen hatte er sich keinen Rum bestellen können und also hatte ein mitleidiger Kellner ihm in Glas Rotwein vor die runzelige Nase gestellt.
Als Hein bereits darüber nachdachte, wieder nach Pudelgarten zu fahren und seinen Leuchtturm zu besteigen, da schwang die Tür der kleinen Bar auf, und eine Erscheinung betrat den Raum.
So jedenfalls muss Hein es seinem Nachbarn erzählt haben, damals vor vielen Jahren. „Wie ein spanisches Schneewittchen“ hatte Hein geraunzt, wenn er seinem Nachbarn noch viele Jahre später allabendlich –zumindest im November- von der bella Montez erzählte.
Sprachlos vom Anblick ihrer schwarzen Augen, ihrem roten Mund und der langen, schwarzgelockten Mähne, muss er mit den Fingern nach dem Kellner geschnippt haben. Mit einer ungewohnt großen Geste legte er ihr sein Herz aus Luft zu ihren schmalen Füßen und der Kellner hatte sogleich verstanden, dass Hein alles und zwar wirklich alles zahlen würde.
Was keiner von Heins Nachbarn je verstanden hat ist, wie aus den beiden ein Paar wurde. Sie hatte ein unbändiges Temperament, das man ihrer andalusischen Herkunft zuschrieb. Etwas seltsam war schon, dass sie gelegentlich ein deutsches Wörtchen mit badischem Akzent einflocht und auch das ein oder andere zu verstehen schien. Aber keiner zweifelte je an ihrer Herkunft. Diese Augen – und auch diese Stimme (wie Hein später etwas bedauernd mitteilte) hat es so in Pudelgarten niemals gegeben.
Hein hingegen war ein ruhiges Schaf, la bella Montez nannte ihn gar Borrego – mein Lämmchen – und so gesehen hat das natürlich schief gehen müssen.
Zwei Sommer lang wohnten in Heins Leuchtturm nicht nur die Montez und er. Oh nein. Mit der schönen Montez kam ein kleines Flamencotrüppchen – was allerdings schnell Heins Rum verfiel und nur noch müde krächzte im Winter. Und mit der schönen Montez kamen drei finstere Gesellen, die einige Pudelgartener für Altnazis und andere für Mafiosi hielten. Sie machten die Nacht zum Tage, fuhren LKWs hinein und wieder hinaus und eines Tages verschwand die schöne Montez mit dem letzten LKW.
Hein nahm es äußerlich gelassen, auch wenn er darauf hin alle seine Gänse schlachtete und ihre Federn aus dem obersten Fenster des Leuchtturms warf. Dies war schrecklich für die Gänse aber gut für Hein, denn er hätte sich ja auch selbst aus dem Fenster werfen können.
Wohin die bella Montez entschwand ist leider nicht überliefert. Und auch was aus Hein wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Nur heute noch raunen die Pudelgartener, dass das Bernsteinzimmer in den Tiefen des Leuchtturms versteckt sei.


 photo montez2.jpg

Sonntag, 27. Juli 2014

Ruppert und Gerda

Ruppert ist ziemlich ruppig. Ihm gehen Menschen einfach auf den Geist.
Drum ist er meistens mit dem Fahrrad unterwegs. Da kann er schnell an ihnen vorbeifahren und an guten Tagen – das sind die, zu denen seine Laune besonders mies ist – fährt er ohne zu Klingeln haarscharf an ihnen vorbei. Es gibt ihm Genugtuung, wenn sie erschrocken zur Seite springen. Und wenn sie dann noch hinter ihm her schimpfen weiß er: die Welt ist voller Idioten.
Ruppert ist Westfale und nein, er geht nicht zum Lachen in den Keller – wie man so schön sagt. Er lacht überhaupt nicht. Er findet auch keinen Grund zum Lachen.
Ruppert ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs denn zu Hause lebt, putzt und kocht seine Frau Gerda. Er findet auch Gerda nervig, drum ist er oft draußen.
Er radelt durch den Wald und hofft, keine Wanderer zu treffen. Ihre Grüße lässt er aus Prinzip unerwidert und in unbeobachteten Momenten legt er Abfälle und Tierkot auf die Bänke für die Spaziergänger.
Seine nichtsnützigen Söhne kommen schon lange nicht mehr zu Besuch und das findet Ruppert auch völlig in Ordnung so. Er weiß einfach nicht, was er mit ihnen reden soll und ihre Erzählungen vom Job findet er zum Gähnen langweilig. Auch Gerda findet er zum Gähnen langweilig und glücklicherweise spricht sie ihn nur noch in Notfällen an. Dennoch treibt ihre schiere Anwesenheit aus dem Haus. Er mag sie nicht sehen und es reicht ihm, wenn seine Wäsche frisch gebügelt im Schrank und was Warmes zu Essen auf dem Tisch ist.
Dass in seinem Magen ein Tumor wächst, weiß er noch nicht. Auch, dass Gerda ihn im Krankenhaus nicht besuchen wird, sondern mit dem verwitweten Nachbarn eine Kreuzfahrt unternehmen wird, weiß Ruppert noch nicht.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Merci Papa.....

sage ich ja auch so häufiger mal.
z.B. wenn ich zu Euch ins Maindörfli komme und immer tonnenweise guter Sekt für unser Wiedersehensfest parat seht.
z.B. wenn ich mit Deinem chiquen Cabrio großspurig herumfahren darf.
z.B. wenn Du für mich in den Copyshop gehst und mir dicke Stapel Papier nach Hause trägst, mit denen ich dann Kunden bespaße.
z.B. wenn ich mich daran erinnere, wie Du früher mit mir nächtelang die Weltpolitik diskutiert hast, obwohl du zwei Stunden später bereits arbeiten musstest.
z.B. wenn Du munter durch die Republik fährst, um mich zu besuchen und zur Not auch den ICE statt das Auto nimmst.
z.B. wenn Du immer versuchst up-to-date zu bleiben und Dich in allerlei technischen Internetschnickschnack einarbeitest.
z.B. wenn Du tapfer in der Klinik liegst und Dich über unser Kommen freust, als sei das nicht eh selbstverständlich.
z.B. wenn Du mir Zeitungsartikel aus der FAZ ausschneidest und mit Datum versiehst, weil du denkst es könnte mich interessieren (was es in der Regel auch tut).
z. B. weil Du immer Wert legst darauf, meinen Kalender zu kennen. Einfach, weil Du gerne weißt, wann ich wo bei welchem Kunden bin und zwischendurch auch mal im Maindörfli aufschlage.
….
Und heute, weil es mich stolz macht, dass Du diesen ganzen Internetschnickschnack lernst, auch damit Du meinen Blog lesen kannst.
Und weil Du meiner Mutter heute Blumen gekauft hast, weil sie Dich zum Vater gemacht hat!

Dienstag, 18. März 2014

Fred....(50+)

...
Kurz nachdem Ines ihren letzten Kampf gewonnen und die Ebenen gewechselt hatte, verfiel Fred in traurige Panik. Er stürzte sich in eine Affäre mit einer von Ines Freundinnen. Aber er war nicht alleine mit ihr und ihn störte ihr Mann, also verließ er das Dreieck. Sogleich stürzte sich Fred in eine Internetsinglebörse und wurde fündig. Er fand Dagmar und liebte sie vom ersten Moment. Dagmar liebte Fred auch, kam aber mit den hundert Kurzmitteilungen, die täglich auf ihrem Handy landeten, nicht klar. Fred weinte und klagte und verbrachte die kommende Nacht in der Internetsinglebörse … was wirklich ein böses Wort ist, aber gehandelt wird dort auch. Man handelt mit Träumen, vergleicht die Aktien und Möglichkeiten, wägt Risiken ab und schmeißt sein ganzes Vertrauen, seine Hoffnung auf das Paket.
Fred fand Tanja und schwärmte von ihr, liebte sie, wollte sie unter seinem Dach wohnen haben. Aber Tanja war glücklich geschieden und wollte es auch bleiben. Fred war unglücklich und der Freundeskreis raufte sich die Haare. Fred begann Tango zu tanzen und konnte sich vor Anfragen nicht retten, plötzlich bekam er Anrufe von wildfremden Frauen, die mit ihm zum Tanzkurs wollten. Aber Fred verbrachte die Nacht nach Dagmars Rückzug in der Internetsinglebörse und warf seine Aktien erneut auf den Markt. So fand er Petra, die ein ganz hohes Tier in der Literaturszene war und die er sogleich liebte. Petra liebte Fred auch. Irgendwie.
Dann raufte er sich wieder mit Dagmar zusammen, aber als er sie mit seiner Liebe und seinen Kurzmitteilungen erneut bombardierte, brachte Dagmar ihm seinen Pyjama zurück und verabschiedete sich tränen- und erklärungsreich. Erneut raufte der Freundeskreis sich die Haare und empfahl ihm Abstinenz. Fred stimmte zu und surfte heimlich nachts in der Internetsinglebörse seines Vertrauens. So lernte er Anita kennen und lieben, die eine Schule für Krankenschwestern leitete und viel zu viel arbeitete, um seine ganzen Kurzmitteilungen zu beantworten. Fred war gekränkt und brachte ihr ihre Saxophonnoten wieder zurück. Wir rauften uns die Haare und empfahlen nichts mehr und warteten. Wir warteten auf Marie. Auch sie hatte er … eh klar… auf der Internetsinglebörse kennen gelernt und nun, da er bereits seit sechs Monaten das Haus umbaute, um wieder mit einer Frau gemeinsam leben zu können, war er wieder glücklich. Leider nur bis August, denn da verließ ihn Marie auf Amrum, weil sein Hund und ihre Katze sich einfach nicht vertrugen.
Im Oktober verkündete Fred, wir müssten unbedingt Liane kennen lernen. Leider war dafür keine Zeit und wir – der Freundeskreis – waren eh schon entnervt.
So kam es, dass wir im Januar die Einladung zu seiner Hochzeit mit Liane erhielten und alle neugierig anlandeten, die verschiedensten Hypothesen der Paarpsychologie wälzend. Was wir vorfanden, ließ uns hypothesenfrei und ratlos zurück. Während wir ursprünglich Liane verdächtigten ebenso symbiotisch veranlagt zu sein wie Fred, fanden wir eine gestanden Geschäftsfrau vor, die ihren Sohn achtzehn Jahre lang alleine groß gezogen hatte. Der Sohn liebte Fred, Lianes Katzen liebten Freds Hund und Liane liebte seine hundertschaften an Kurzmitteilungen. Wir – der Freundeskreis – standen mitten im Glück 50+.
Ines Sohn Jan war auch auf der Hochzeit und strahlte. Im Juni wird er heiraten. Und dann sah ich Wolfgang, den Vater von Jan, also den geschiedenen Mann von Ines. Der hatte viele Jahre zuvor, Ines beste Freundin Agnes geheiratet. Wolfgang und Agnes hatten eine sogenannte on-off-Beziehung, deshalb mussten sie sich erst scheiden lassen, um erneut zu heiraten. Irgendwie irritierte mich, dass Wolfgang eine fremde Frau im Arm hielt und Jan klärte mich lachend darüber auf, dass sie erneut geschieden seien. Wolfgan hatte also sein neues Glück im Arm und Agnes knutschte einen grauhaarigen Herren. „Jaaaa….“ Lachte Jan. „Es wird ein Hochzeitsjahr jetzt. „
Wolfgang – also Ines Exmann und Jans Vater – der stadtbekannte Anwalt, hatte auf einem Semianr die Sozialarbeiterin Carmen kennengelernt, lieben gelernt und ihr sogleich einen Antrag gemacht. Also werden sie im August heiraten.
Agnes – also Wolfgangs Ex-Frau, die mal Ines beste Freundin war, hatte sich nach dem Scheidungstermin in eine toskanische Meditationsidylle begeben und war dort dem grauhaarigen Gerhard begegnet. Der ist zwar etwas kleiner als Agnes, aber dafür sehr erfolgreich und dennoch tiefenentspannt. Unnötig zu erwähnen, dass sie im Juli heiraten werden.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Lemmy hieß eigentlich ….

...Wilhelm, als er vor siebzig Jahren geboren wurde. Aber nur seine Mutter und seine Frau nannten ihn so. Seine Schulzeit ist mir nicht überliefert, aber sie dauerte nur sehr kurz, denn früh ging er als Schiffskoch zur Marine und spätestens dort wurde er zu Lemmy. Fast fünfzig Jahre fuhr er zur See, kochte, trank und raufte. Besonders die Raufereien hatten es ihm angetan, denn mit den Fäusten war er einfach besser als mit den Worten. Andererseits fand er immer die richtigen Worte, um jemanden zur Weißglut zu bringen, oder bis ins innere Mark zu treffen.
Besonders stolz ist er auf seine Nacht in einem algerischen Gefängnis. Der Mann hinter dem Tresen einer algerischen Bar reichte ihm den Cognac mit einem Toast auf Nazi-Deutschland rüber, worauf hin Lemmy ihn einen Arxxfixxer nannte und schon war eine echte Wirtshausschlägerei im Gange, in deren Verlauf er festgenommen und eingebuchtet wurde. Irgendwie hat ihn der Kapitän seines Schiffes da rausgeboxt und irgendwie ist er heute noch stolz auf diese Geschichte. Stolz ist er auch auf seine Tochter und seinen Sohn, die zunächst drei Jahre schwiegen, als er im Alter von 66 geschieden wurde, nun aber gerne wieder mit ihren Vater sprechen. Die Dialoge sind kurz aber liebevoll.
„moin Vadder“
„moin min Jung“
„alles klar?“
„ja…. muss jetzt die Hühner füttern“
„jooo denn man tau“
Lemmy hatte nicht in jedem Hafen eine Braut, aber in jedem Hafen eine Bar. An Land bewohnte er einen alten Leuchtturm mit seiner Frau Margot, den beiden Kindern, ziemlich vielen Galloway-Rindern und sehr vielen Hühnern. Margot war sauer, dass Lemmy meistens auf See war und wenn er an Land war, war sie erst recht sauer. Sie schimpfte über ihre Einsamkeit, über die Arbeit mit den Viechern und den Kindern – die alle Namen hatten: Kinder und Viecher. Lemmy trank sich ruhig und schlief gelegentlich im Hühnerstall. Dann schimpfte Margot erst recht. Lemmy verzog sich in die Inselkneipen und als er eines Nachts betrunken vom Rad fiel und sich die Hüfte brach, musste er in Rente gehen.
Margot wollte es ihm schön machen, in seinem ersten Winter an Land und besorgte einen großen Weihnachtsbaum, rote Kugeln, buck Printen und Kröpel und schenkte ihm Pantoffeln. Irgendwie muss das zu viel für Lemmy gewesen sein, denn in der Nacht zum zweiten Weihnachtsfeiertag betrank er sich und wurde ausfallend. Ein Wort führte zu einem Gegenwort, ein Gegenwort zu einer Ohrfeige (für Lemmy) und er steckte den Weihnachtsbaum zunächst in Brand, um ihn sodann aus dem Fenster des Leuchtturms zu werfen. Der Baum verglühte ruhig im Schnee und dennoch hatten die Nachbarn es sich nicht nehmen lassen, einen ganzen Löschzug der Feuerwehr antreten zu lassen. Dies kostete ihn den Leuchtturm, die Rinder und seine Ehe mit Margot. Um die verkauften Rinder trauert er noch.

Lemmy bezog ein Gartenhäuschen, das ein verarmter Versicherungsvertreter unbedingt vermieten wollte und er handelte die Gartennutzung heraus, damit er wieder Hühner halten und einen Räucherofen bauen konnte. Gelegentlich trank er mit dem verarmten Vermieter, was wiederum dessen Frau aufbrachte, aber die hat Lemmy im Griff. Denn Lemmy räuchert sich von der Zunge direkt zum Herz (oder noch weiter runter). Er ist der Geheimtipp der Insel was das Räuchern von Aal, Lachs und Schweinefleisch angeht. Alle kaufen sie bei ihm, vorausgesetzt, sie sind höflich und bitten und zahlen gut. Meist sitzt er mittags mit Jens dem blauäugigen Fischer zusammen. Schweigend trinken sie ein Bier oder eine Limonade und starren Löcher in die Luft. Gelegentlich wirft Lemmy seinen Hühnern, die nicht wirklich alt werden dürfen, ein bisschen Gemüse oder Brot ins Gehege. Dann geht er zum Räucherofen und stochert ein bisschen in der Asche herum. Abends, wenn ihm danach ist, geht er in die Touristenkneipen und reist alleinstehende ältere Damen auf. Die freuen sich über seinen Charme (ja wirklich, den hat er – wenn er will) und seine blitzenden Augen. Und Lemmy freut sich über seinen Erfolg, vorausgesetzt sie heißen nicht Margot.

Dienstag, 11. Februar 2014

Als Hein elf Jahre alt wurde,….

… verschluckte sich sein Bruder an einem Kirschkern und lief blau an.
Bis dahin war Hein mit seinem Bruder in einem 50qm großen Häuschen groß geworden, das im Sommer angenehm war und im Winter bitterste Kälte bereit hielt. Während der kalten Monate versank der Vater in Schnaps und verteilte Backpfeifen und Schläge und Geschimpfe.
„Du nichtsnutziger Kerl…. Hol Schnaps!“
„Du nichtsnutziger Kerl… sei lieb zum Vadder!“… so ging es im Winter.
Im Sommer rief die Tante von nebenan um Hilfe. Der Schweinestall sollte gedeckt werden, die Heizung neu verlegt, das Dach abgedichtet und der Onkel vom Saufen abgehalten werden. Hein gelang das eine und manches andere, aber nicht alles.
Als Hein heranwuchs, wurde er zu einem schwarzhaarigen Zweimeterhühnen, zu dem so manches Landmädchen seufzend heraufschaute. Keine ging mit ihm zum Scheunenball, denn er wohnte in einem winzigen Häuschen mit der ganzen Familie und war nicht der hühnenhafte Spross eines Großbauern, sondern der Sohn des nichtsnutzigen Säufers. Und zudem hatte sein Bruder sich an dem Kirschkern verschluckt, wäre fast gestorben und war hinterher „blöd“.

Nur mit Mühe hatte man den kleinen Bruder retten können, der Vater erstickte in seinem Schnapsbrei und die Mutter bat Hein, sich um den kleinen Bruder zu kümmern. Danach lehnte sie sich zurück, schaute aus dem Vorderfenster des kleinen Häuschens und lies Hein einfach tun was er wollte.
Hein schuftete. Er wurde Installateur und schob Nachtschichten bei einer Spedition, um Mutter und Bruder zu ernähren. Verstohlen schaute er den Mädchen hinterher, die lieber mit den Söhnen der Großbauern durch die Dünen liefen. Er drohte einem früheren Schulkumpel Schläge an, und verhalf somit seinem Bruder zu einer Anstellung als Hilfsgärtner.
Als er eines Tages seine Nachtschicht bei der Spedition beendete, sah er inmitten der morgendlichen Putzkolonne ein rundliches Gesicht mit lachenden Augen. Da Hein kein Redner war, schenkte er ihr ein breites Grinsen und zog den nicht vorhandenen Hut. Kamila kicherte und machte einen ausladenden Knicks, denn sie sprach kein Wort Deutsch.
Hein fieberte seinen Nachtschichten entgegen und hatte immer etwas für Kamila einstecken, um ihr Vokabeln beizubringen: eine Schokolade, einen Löwenzahn, eine Seife, ein Brötchen, eine Mütze und schließlich eine Kinokarte.
Während die Mutter aus dem Fenster blickte, stellte er Bauanträge, denn das Land hinter dem Häuschen war recht groß. Er sammelte Absagen und kämpfte sich durch Bauvorschriften, bis er endlich auf die Idee verfiel, das Häuschen durch einen Anbau zu vergrößern.
Heute ist der vermeintliche Anbau dreimal so groß wie sein Elternhäuschen, in dem nun der gärtnernde Bruder lebt. Hein ist noch immer fast einen Meter größer als Kamila und er liebt es, wenn sie mit ihren lachenden Augen zu ihm hinauf schaut. Von seinen beiden Söhnen ist einer hochbegabt, aber Hein findet, er solle ein Handwerk er lernen. Kamila schaut schon nach Förderungsprogrammen und lacht ihn an. Er kann dann eh nicht anders.

Freitag, 24. Januar 2014

M wie.....

Marianne aus Mannheim, die mit den runden Melonen, die Männer wie Motten verbrennt, und Männer mit Mangos verspeist. Denn Mangos liebt sie. Ebenso wie Männer und Mannheim.
Manfred mag Marianne schon, aber Mannheim findet er mühsam wegen der vielen Quadrate. Manfred mag Marianne und ihr Mangosüppchen in das sie rote Linsen einlegt und viel Chili mit Knoblauch. Manfred ist Manager und kann Marianne nicht nur wegen des Mangosüppchens und ihrer runden Melonen gut leiden, sondern auch weil sie ein Mathegenie ist. Marianne hat sich neben den Mangos auf Mandelbrots spezialisiert und den einzigen Komponisten, der dies in Musik umsetzte. Es war Ligeti…. der leider schon verstorben ist, was nicht nur Manfred bedauert.

Samstag, 18. Januar 2014

Seitdem Carla so glücklich verheiratet ist,....

.... liest sie samstags die Todesanzeigen und studiert sie ganz genau.
Sie leitet Lebenslinien der ihr vollkommen unbekannten Verstorbenen ab und dies mit großer Leidenschaft.
"Das war ein Junger" meint sie und zeigt auf die Todesanzeige eines Arztes, der mit 49 verstarb. Aus dem Bibelzitat über seinem Namen schließt sie, dass keiner in der Familie eine Erklärung für seine Krebserkrankung gehabt habe, denn sicher habe er als Mediziner ja gesund gelebt. Heinz, ihr Gatte, fragt woher sie das mit der Krebserkrankung wisse.
Weil Carla schon seit zehn Jahren glücklich verheiratet ist und also schon seit zehn Jahren die Todesanzeigen des Ortes studiert, erkennt sie das sofort:
"Nur die Alten wollen noch Blumen und Kränze. Die Jungen wollen Geldspenden. Für das Hospiz, für die Krebsgesellschaft, für die Leukämiestiftung usw."
Heinz liebt die Kreuzworträtsel auf der Rückseite der Todesanzeigen. Weil er Carla nicht drängeln will, schaut er sich die Anzeigen mit an.
"Frau von Piegelspitz ist aber nicht in Frieden eingeschlafen", brummt er am Küchentisch.
Carla zieht die Augenbrauen hoch, schließlich ist sie die Spezialistin für Lebenslinien in Traueranzeigen.
"Naja.... die große Anzeige vom Sohn, läd ein zur Bestattung auf dem eigenen Gut. Jetzt wissen wir, die haben große Ländereien mit eigenen Grabstätten. Darunter die kleine Anzeige ist von einem anderen Sohn der von Piegelspitz. Das muss das schwarze Schaf sein, denn der läd nicht ein und hat eine Adresse in der Stadt."
Carla kaut an ihrem Marmeladenbrot und juchzt über die Anzeige unten links. "Hey.... schau mal, die alte Dame war ein Freak!" Sie zeigt Heinz den Trauerrand aus Girlanden und Blumen und liest vor ".... im Sinne der Verstorbenen bitten wir von Trauerkleidung abzusehen...".
Heinz verliert die Geduld, verschiebt sein Kreuzworträtsel auf den Abend und macht seinen Einkaufszettel für den Markt.
"Was kochen wir heute?" fragt er Carla und sucht sein Portemonnaie.

Montag, 18. Juni 2012

es muss nicht immer eine rosarote Brille sein....

...
durch die wir diese Welt betrachten.
Gelegentlich hilft auch ein rosagefärbtes Bein, um fabelhaftes Leben zu begreifen.

Das Leben ist ein Meisterwerk und gelegentlich Kunst, damit wir die Sache mit dem Meisterwerk begreifen.
Andernorts sehen Meisterwerke hingegen so aus, dass Verteidiger entscheidende Tore schießen. In diesem Moment zeigt die Brille schwarzrotgoldene Bemalungen und mich freut‘s. Nicht dass ich ein Fussballgucker wäre. Aber dann eben doch,... und mit dem weltbesten Vater fiebere und schaue und wir uns ins Fäustchen lachen, weil es ja eben nicht der klassische Verteidigerjob ist, bis ganz nach vorne mitzulaufen und dann halt einfach das entscheidende Tor zu schießen.
Das sind die Momente kurzer Freude. Die langwährende Freude hingegen…. nun gut…. nicht immer Freude…. haben die weltbesten Eltern hingekriegt. Deshalb durchblickten wir das Leben in goldenen Farben.
Sagenhafte 50 Jahre sind sie miteinander verbandelt und wollten ganz bescheiden, nichts feiern.
Drum haben die frankfurter Freundin und ich und der weltbeste Herr Rosmarin, die Feierlichkeiten heimlich organisiert: Die Überlebenden und Freunde hinterrücks angerufen, Brillen gold eingefärbt, gefühlte tausend Restaurants Probe-Gegessen, einen heimlichen Dankesgottesdienst organisiert und die Eltern mittäglich abgelenkt, indem wir zur damaligen Kirche zum Fototermin anfuhren.
Ich halte ja eine Menge aus. Aber da zitterten mir mittäglich bereits die Hände so sehr, dass ich unfähig war, die Wimperntusche aufzutragen.

Unglaublich schön der Moment, als die goldigen Herrschaften dann vor der Kirche am Römerberg entlang liefen. Wir hatten dies zu Ablenkungszwecken als Rätselralley organisiert. Mittäglich hatten sie die Fragen zu Trauspruch und getrennten Wohnorten korrekt beantwortet. Also fuhren wir zum Fototermin. Aber eigentlich nur, um sie davon abzuhalten, der wirklichen Planung auf die Schliche zu kommen.

Die letzen zwei Fragen der vermeintlichen Ralley sollten noch mal die weitere Gültigkeit abprüfen, sowie ihre Gedächtnisleistung hinsichtlich des ersten Kusses (der exakt unter der Brücke vor meinem jetzigen Fenster stattfand). Auf dem Weg dort hin fanden sie 20 Freunde aus den letzten 50 Jahren. Und alle mit goldenen Brillen, weil die Welt will ja betrachtet werden. Und zwar nicht „nüchtern und sachlich“, denn was ist das schon?

Dankesgottesdienst und überraschte Tränen, Umarmungen und Freude. Sekt in Strömen und die Reservierung der Eltern im schönsten und besten Restaurant war längst von 4 auf 22 hochgeschraubt. Hinterrücks natürlich :-)



Korintherbrief so und so.... "lasset alle eure dinge in der liebe geschehen".
Eben!

Mittwoch, 25. April 2012

Der Herr Josef sagt, wir sollten wieder lernen, den Blick auf etwas ruhen zu lassen, anders

können wir es nicht begreifen.
Genau das versuche ich jetzt seit einigen Tagen. Drum bleib ich am Thema der letzten Wochen. Auch weil es einfach kein Ende nimmt. Und dennoch ist dies das vorletzte letzte Kapitel zum Thema, das ich für einige Zeit schreiben werde.
Deine Familie, liebe Ines, bestand aus 2 + 2+ 3 +x. Ihr wart zwei Menschen (einer mit roten Haaren, einer mit schwarzweißen Haaren), zwei Windhunden (einer mit roten Haaren, einer mit schwarzweißen Haaren), drei ganz engen Menschen: dem Sohn, dem Exmann, der engsten Freundin und Frau Deines Exmannes, und den vielen x, von denen ich eine war und bin.
Wir alle sind Deinen Weg mit dem erneuten Krebs sehr bewusst mitgegangen bis zum Schluss. Auf Wunder hoffend, widerständig, traurig, und lustig dagegen ankämpfend. Als wir Dich, die rothaarige Rote am Sterbebett beweinten und verabschiedeten, wussten wir nicht, um das was mit der anderen Rothaarigen seit langem geschah.
Was nun sicher kein Mensch verstehen kann, ist der Schock, der uns übrig Gebliebenen am letzten Samstag traf: In genau der Stunde, in der im hohen Norden, sich Deine Asche mit dem Meer verband, verstarb Deine rothaarige Windhündin in den Armen der Nachbarin. Der unentdeckte Milzkrebs hat sie zeitgleich mit Dir, die große Reise antreten lassen.
Der Rest ist Weinen, Lücke, Schmerz.

und überhaupt....

Hunde, sind unsere Verbindung zum Paradies. Mit einem Hund an einem herrlichen Nachmittag an einem Hang zu sitzen kommt dem Garten Eden gleich, wo Nichtstun nicht Langweile war - sondern Frieden. (Milan Kundera)

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