eine meiner lieblingsstellen.... und drum schleppe ich sie seit fast 25 jahren mit mir herum. mal ausgedruckt, mal abgetippt, aber immer habe ich irgendwo ein exemplar davon:
Valerio: Und ich werde Staatsminister, und es
wird ein Dekret erlassen, daß, wer sich Schwielen in
die Hände schafft, unter Kuratel gestellt wird; daß,
wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist;
daß jeder, der sich rühmt, sein Brot im Schweiße
seines Angesichts zu essen, für verrückt und der
menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird;
und dann legen wir uns in den Schatten und bitten
Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um
musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine
kommode Religion!
Georg Büchner
aus „Leonce und Lena“
selbstverständlich fällt mir das immer wieder dann ein, wenn ich das gefühl habe, verpflichtungen und stress würden wie eine rießen welle über mir zusammen brechen. und dann rezitier ich ein bisschen den text vor mich hin und seufze tief. und dann zucke ich mit den schultern und freu mich über irgendeine kleinigkeit. heute war's gar keine kleinigkeit. heute war es ein päckchen vom weltbesten exmann... nur aufmachen darf ich es noch nicht. aber ich kann warten. ich liebe sowieso die vorfreude. auch an weihnachten und geburtstagen zögere ich das öffnen von geschenken am liebsten soweit heraus wie irgendwie möglich. so starre ich nun noch einige tage auf das lindgrün verpackte kleine päckchen.... was zu lesen. ich liebe das. nur ein bisserl mehr zeit könnte ich grad gebrauchen. stattdessen bin ich mal wieder am bügeln und köfferchen packen und muss morgen gaaaaaaaaaaanz früh raus. das verspricht wieder eine schlaflose nacht zu werden.
einer kinderreichen familie. genau aus diesem grunde jedoch war es herrn pizzaro versagt geblieben, gesang zu studieren. vielmehr konnte er letztlich froh sein, dass er die buchhandlung seiner ersten frau zu verdanken hatte. sie war die tochter des ortsansässigen bibliothekars gewesen und hatte von diesem die liebe zu büchern geerbt. sie hatte kein verhältnis zu literatur. nein, sie liebte die bücher.
mit geschlossenen augen verstand sie es, anhand der beschaffenheit des papiers sowie seines geruchs, verlag und erscheinungsjahr des buches zu erraten, welches man ihr vorhielt.
kennengelernt hatten sie sich bei den bouquinistes in paris. herr pizzaro durchstöberte einen büchertisch nach caruso-biographien als er diese kleine frau aus den augenwinkeln wahrnahm, die ihre lange nase tief in holländische erstausgaben vergrub. irritiert beobachtete er sie eine lange weile.
sie stand mit geschlossenen augen am stand und ließ ihre hände über die bücher streichen. wenn ihre hände zur ruhe kamen und über einem buch verharrten, nahm sie dieses auf und durchblätterte es langsam, ließ die seiten durch ihre finger gleiten und streichelte behutsam die letzte. dann blätterte sie in die mitte des buches, näherte sich ganz langsam mit ihrem gesicht und beschnupperte das papier wie ein kleiner hund. sie hob den kopf und nahm pariser luft in sich auf, um sich sogleich wieder in das buch zu versenken und einen tiefen tiefen atemzug durch die nase zu nehmen. dabei gurrte sie ganz leise.
herr pizzaro stand wie angewurzelt herum und verlor jegliches zeitgefühl, während er die junge frau, die später seine werden sollte, fasziniert beobachtet. er war ein junger mann damals und so konnte er nicht anders, als sich vorzustellen, wie sie statt am papier an seiner haut schnupperte. er sah ihre zarten finger über das papier der seiten streichen wie über die haare auf seiner brust. und er sehnte sich schmerzlich danach ihren tiefen atemzug mit dem leisen gurren - bei gefallen - in seiner achselhöhle zu verspüren.
so sprach er sie an. er hatte völlig vergessen, dass er in frankreich war und kaum ein wort französisch sprach und also bat er sie auf italienisch. „verzeihung signorina, ich habe hier ein buch, das mich sehr interessiert. es handelt von caruso, dem größten sänger dieser welt. ich weiß nicht, ob sie ihn kennen. aber ich wüsste gerne ihre meinung zu diesem buch.“ er reichte ihr das buch und sie lächelte ihn an. „selbstverständlich gerne mein herr“ , denn auch sie hatte in keinster weise bemerkt, dass sie - zwei italiener - mitten in paris ganz natürlich miteinander sprachen. und schon schloss sie die augen und begann ihr ritual.
ihr abschließendes gurren hatte einen verzückten, kaum merklichen unterton. „oh, das scheint mir der gautier-verlag zu sein, in seinen frühen jahren. damals hatten sie das beste papier, welches aus der vaucluse stammte. es wurde von einem wunderbaren katalonier geschöpft, der bis zu seinem viel zu frühen tode niemandem die beimischung des wassers verriet. ich würde es nehmen. egal zu welchem preis.“
herr pizzaro nahm es und sie auch. ihre ehe war so glücklich, dass sie nur kurz sein durfte und so kam es, dass er alda viel zu früh verlor. in den zehn jahren ihres beisammenseins hatte er gelernt, ihre hellsichtigkeit zu fürchten. besonders seitdem sie sonntags nach siena mit dem bus fahren wollten zum palio. sie hatten sich fein gemacht und saßen bereits eine halbe stunde zu früh an der bushaltestelle. sie hielten sich an den händen und schwiegen. als der bus kam, blieb alda einfach sitzen. er ermahnte sie, nun endlich aufzustehen und mit ihm den bus zu besteigen, als sie seine zerrende hand einfach festhielt und ihn mit leisem druck zum hinsetzen zwang. „es ist kein guter tag für den palio“ und so saßen sie eine weitere stunde an der haltestelle bis die hitze fast unerträglich wurde.
mit ihrem ärmel wischte sie ihm den schweiss von der stirn. dann nahm sie einen tiefen atemzug aus seinem haar und zog ihn fort, in ihr lieblingsrestaurant. in aldas nähe war herr pizzaro bis zu ihrem tode wie hypnotisiert. er leistete niemals widerstand und liess sich von ihr führen. nur ein einziges mal, am folgenden tage des palio schaute er sie fragend an. wie hatte sie wissen können, dass der bus schwer verunglücken würde? sie sah seinen blick und seufzte tief. „liebster, ich habe es einfach gerochen“.
mit diesen worten überreicht mir der weltbeste vater einen blauen plastiksack. der enthält meine lange vermissten sommerfähnchen. immer wenn es mir hier grade zu voll wurde, habe ich alles mögliche bei meinen eltern deponiert. diese ziehen aber nun in zwei wochen um und so peu a peu kehren allerlei dinge wie bumerangs zurück zu mir. die gesamte familie mistet aus. lustiges und rührendes und längst verloren geglaubtes taucht aus den tiefen von wandschränken, dachböden und kellern wieder auf. so meine vermissten sommerkleidchen.
und ich pass doch noch rein.
feix.
rosmarin - 31. Jan, 14:30
frage ich mich. während ich so vor mich hin sinniere, ärgere ich mich, dass noch nix richtig fertig ist für die nächsten tage und dass ich meinen müden punkt mal wieder erfolgreich überwunden habe. dabei klingelt um sechs der wecker. ich bin bescheuert, dies allein ist schon grund genug, warum mich das universum nicht noch mal ausspucken sollte. alle notwendigen baustellen wie bügeln, packen, konzentrieren, sind bereits angefangen. natürlich ist keine fertig. ätzend das. ich bitte meine nächsten um daumen-drücken, denn ich bin ein abergläubischer mensch. und der workshop kann heftig werden. und nach sechzehn jahren „routine“ bin ich noch immer voller nervosität und lampenfieber. aber vielleicht ist es genau das, was ich brauche, um meinen job gut zu machen. und letztlich hat das etwas mit respekt zu tun. wenn ich auf die uhr schaue ist jedoch klar, dass ich morgen abend mit sicherheit hundemüde ins bett fallen werde. daumen-drücken hat jedoch bisher – toi toi toi – immer geholfen. also wenn ich denn dann noch mal auf diese welt käme, wäre das in der vergangenheit oder in der zukunft oder in irgendeiner parallelen welt? und was wäre der sinn? einfach just for fun, damit das universum sich freut und seine regeln beibehält? oder, um etwas wieder gut zu machen? da gäbe es einiges. oder, um ungelebtes leben zu leben? herrje, dann hätte ich noch einige wiedergeburten vor mir. ich könnte endlich als installationskünstler leben, oder als mutter von fünf kindern, oder als wohltätige uneigennützige person, oder als systemschwein (falls ich das nicht schon bin), oder als mann, oder als verhungernder mensch, oder als anwaltsgattin oder anwalt, oder…. je länger ich über mögliche wiedergeburten nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass ich das nicht möchte. selbstverständlich hat sich in diesem meinem leben einiges angesammelt an ungelebtem, an vernarbten und offenen wunden, an notwendigen besserungen. aber bei genauerem überlegen stelle ich mit erstaunen fest, dass ich keinen wert darauf lege. ich bin verdammt zufrieden und glücklich mit diesem meinem unvollkommenen leben. ich möchte kein anderes – mehr. sicher jedoch ist, dass ich mich morgen früh, also in vier stunden, keinesfalls wie neugeborgen fühlen werde. aber kurzschläfer und nachteulen sollen ja angeblich kreativ sein. und das brauch ich in den nächsten tagen. adios.
rosmarin - 29. Jan, 00:55
zum frühstück bei freunden, liess diesen sontag so verheissungsvoll anfangen. blöd nur, dass ich jetzt mein reiseprogramm wieder starten muss: bügeln, packen, unterlagen, drehbuch durchgehen, hund zum abschied küssen.....
naja...
rosmarin - 28. Jan, 18:06
heute habe ich urlaub. ich bin frei und laufe durch die city, ratsche stundenlang mit den laufkumpels am main, trödele herum und telefoniere stundenlang. wunderbar. den stundenlangen lauf in den niddawiesen versuesse ich mir unter anderem mit einem anruf in barca bei juicy. wir reden zeugs und fragen dies und das und während ich durch die kalten wiesen stapfe, tänzelt miss juicy durch die villenviertel barcas und gibt genaue straßen- und häuserbeschreibungen durch. keine ahnung wo sie da ist aber mir kommt ein buch in den sinn, das ich ihr unbedingt empfehlen will. der schatten des windes. juicy plaudert weiter von cailles und villen und sagt, sie müsse mir unbedingt ein buch empfehlen. „meint du den schatten des windes“? frage ich sie. und dann stellt sich raus, dass sie so angetan von dem buch, das in barca spielt, war, dass sie alle dort angegebenen orte anwandelt. erst jetzt dämmert es mir, dass irgendwo in meinem hirn der straßennamen der villa im buch gespeichert war und die assoziation zum buch hervorbringt.. phantastisches organ das. ich bin begeistert, weil ich am eigenen leib erlebe, was ich gelegentlich kunden erzähle. das hirn verliert nix, ist nur die frage ob man es wieder findet. und wenn man hübsch aufpasst, hilft einem das hirn und schickt ein bild. es gibt so tage, da ist man empfänglich, oder empfindsam. und also plaudern wir weiter von steuern, auswandern und jobs und wir sprechen von der schönen babs. ich kann sie seit tagen auf ihrem handy nicht erreichen. als ich sie zuletzt sah, so ganz ohne haare aber strahlend, da lief ihr mann neben ihr. und er sah so jämmerlich und traurig aus, dass einem das herz gefror. aber das ist vier wochen her. mir frieren langsam die finger am handy ein und wir legen auf. keine zwei minuten später läuft mir der mann von babs samt hund entgegen und ich kriege erst mal einen schrecken. und ja…. es geht ihr nicht gut. die tumore am skelett sind kurzfristig zum stillstand gekommen. der in der leber ist munter weitergewachsen und nach dem muttertumor in den bronchen schaut derzeit keiner. die chemo haut sie um und die schmerzmittel verträgt sie nicht. an einem lebertumor starb vor acht wochen die mutter von babs. der mann von babs ist seit einem jahr selbständig und schuftet wie ein irrer. die erkrankung seiner geliebten hat ihn seit november zweimal umgehauen und er landete jeweils mit verdacht auf herzinfarkt im krankenhaus. während wir laufen fragen wir uns, ob sie es überleben wird. ich denke, dass das keine frage ist und hoffe …
rosmarin - 28. Jan, 01:23
zweifeln möchte, der sollte unbedingt erfahren, dass ich grad thunfischkekse für den hund backe.
juchz
rosmarin - 27. Jan, 20:41
lande ich
im herrlichsten schokoladenladen, der gleich bei mir umme ecke ist. wunderbar ist er, bunt und lauschig und vor allem immer voll. während ich also schokolade mit rosa pfeffer, mit ingwer, chilli und weisse schoko mit limetten einpacken lasse, steht eine echte matrone neben mir. hübsche kurzhaarfrisur, rote lippen, rießiger gattinnenbusen und strahlend verlangt sie nach frankfurter pflastersteinen. ich schaue verdutzt zu ihr rüber, denn ich habe keine ahnung was das sein soll. die verkäuferin geht zur pralinentheke und holt kleine braune würfel und die damen scherzen, während ich völlig verdutzt die brosche auf dem mantel der hünin beäuge. es ist eine grüne plastikpraline mit roter kirsche obendrauf. ich musste so lachen, dass mir vor lauter wiehern das portemonnaie auf den boden fiel.
rosmarin - 26. Jan, 23:43
haben wir uns das letzte mal getroffen? ich verlier völlig die zeit und überhaupt die orientierung darin. wann war das noch mal mit dem bandenstammtisch? und wann waren wir im textor essen? ist ja auch egal. hauptsache wir trinken eine contrasecco auf alles mögliche und teilen uns ein paar tapas. du den käs und ich den fisch. und wir werfen uns wild alle mögliche themen um die ohren und ich traue meinen nicht, als ich von saublöd gelaufenen frühsommergeschichten höre. oder wann war das noch mal? und sowieso könnten wir auch gemeinsam auf die rennbahn gehen, wann noch mal hast du den letzten businesstermin? nun gut, besser wir streichen die sache mit dem wann und lassen nicht mehr soviel zeit vergehen. und ich werd mir auch merken, bis wann du voll mit terminen bist und erst dann werd ich dir ne sms wegen des grünniddalaufens schicken. und lass dich nicht vom funkenmariechen nerven. ich weiss, die welt ist voller funkenmariechen. aber sind wir nicht alle ein bisschen funkenmariechen? ja ja, wir einigen uns sofort darauf, dass wir allerhand dummheiten begangen haben, ob mit rothaarigen mühlenbesitzern oder fruchtigen geistgestalten. aber das ist solange her, dass keiner mehr genau weiss, wann das eigentlich war. drum ist es auch wurscht. und wunderbar wie wir so sind, geloben wir auch keinerlei besserung. ausser nicht mehr so lange bis zum nächsten mal zu warten. wann auch immer das sein wird.
rosmarin - 26. Jan, 00:55
stinkt. ihr schweissgeruch treibt mir bereits zwei meter vor ihrem kleinen runden leib die zornesröte ins gesicht und ich schnappe nach luft. kurz bevor ich mich beschweren will fällt mir jedoch ein, dass man mich heute früh bereits eines sagenhaften knoblauchgeruchs bezichtigt hat und ich halte lieber die klappe. es war der phantastische döner, den die kollegen und ich auf dem heimweg zu uns nahmen. die republik war geteilt durch das wetter und wir sassen mitten im schneechaos. also sind wir über die landstrassen gen maindörfli geschlichen, während alle anderen kilometerlange staus auf den längst gesperrten autobahnen bildeten. statt tee und kekse vom roten kreuz kamen wir so zu chai und knoblauchdöner mit schafskäse. kann man nicht meckern und die strässchen am neckar entlang boten mehr fürs auge.
rosmarin - 25. Jan, 11:27